Strache: „Frontex ist Schlepperorganisation“

„Bin nicht Experte, wo in der EU die Dinge falsch laufen“ – Vizekanzler Strache vor seinem ersten Brüsseler Ministerrat.
„Bin nicht Experte, wo in der EU die Dinge falsch laufen“ – Vizekanzler Strache vor seinem ersten Brüsseler Ministerrat.(c) APA/JOHANNES BRUCKENBERGER
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Vizekanzler und Sportminister Strache übt bei seinem ersten Amtsbesuch in Brüssel scharfe Kritik an der Grenzschutzagentur und fordert ein Ende der EU-Sanktionen gegen Russland.

Brüssel. Erstmals verschlug es am Mittwoch FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache als Regierungsmitglied nach Brüssel. Als zuständiger Bundesminister nahm er an der Ratstagung der Sportminister teil, was im Gespräch mit österreichischen Korrespondenten die Frage aufwarf: Wenn die FPÖ angesichts des Brexit eine Beschränkung der EU auf ihre Kernkompetenzen fordert, wäre diese Ratsformation nicht einer der ersten Streichkandidaten? Ganz so weit, den Sportministerrat im Sinne der Sparsamkeit und Subsidiarität abzuschaffen, will Strache nicht gehen: „Es stimmt, es gibt hier keine Gesetzgebung, aber es gibt die Willensbildung. Die Akkordierung in diesem Bereich ist wichtig. Aber in Wahrheit ist das nationalstaatliches Recht.“

„Alles andere als Grenzschutz“

Ungewöhnlich scharf äußerte sich Strache hingegen über Frontex, die europäische Grenz- und Küstenwache. „Bei Frontex muss man hinterfragen, welchen Auftrag sie hat. Sie hat ja in manchen Bereichen teilweise fast schon die Aufgabe, die Menschen vor der Küste Nordafrikas abzufangen und dann fast als Schlepperorganisation nach Europa zu bringen.“ Auf die Frage, wieso die Bundesregierung im Budgetentwurf keine erhöhten Mittel für die Entsendung österreichischer Grenzer an die EU-Außengrenzen vorsehe, antwortete Strache erneut mit scharfer Kritik an Frontex: „Die Auftragsstellung ist zu hinterfragen. Man unterstützt, wenn man derzeit Personal hinschickt, keinen Grenzschutz. Weil die Aufgabenstellung in Wahrheit alles andere als Grenzschutz ist.“ Frontex' Tun könne man „als Schlepperaktivität im legalen Sinn definieren“.

De facto ist in den gesetzlichen Grundlagen, die den Auftrag von Frontex bestimmen, nichts dergleichen zu lesen. Sehr wohl jedoch sind Schiffe der diversen nationalen Küstenwachen, die im Mittelmeer unter Koordination von Frontex Dienst versehen, seerechtlich dazu verpflichtet, schiffbrüchige Migranten und Flüchtlinge zu retten und in den nächsten Hafen zu bringen, wo deren Asylanträge aufgenommen werden.

Strache, dessen Partei im Dezember 2016 mit der russischen Regierungspartei Einiges Russland von Präsident Wladimir Putin eine fünfjährige „Vereinbarung über Zusammenwirken und Kooperation“ geschlossen hat, wünscht sich zudem ein Ende der EU-Sanktionen gegen Russland. Österreich setze sich „als neutrales Land in der Sanktionsentwicklung gegenüber Russland für eine Entkrampfung ein, damit am Ende wieder eine engere Zusammenarbeit und auch eine Aufhebung der Sanktionen der Fall sein kann.“

Einladung zur Fußball-WM

Womit hat sich die russische Regierung seiner Meinung nach eine Abschaffung dieser Strafmaßnahmen der EU verdient? „Wie wir alle wissen, hat auf der Krim eine Abstimmung stattgefunden, die von der westlichen Gemeinschaft völkerrechtlich nicht akzeptiert wird, wo die Russen mit ihrer Abstimmung das Faktum gesetzt haben, dass die Mehrheit für den Zusammenschluss mit Russland gestimmt hat. Führen die Sanktionen zum Ziel? Das sehen wir kritisch, inwieweit man sich da nicht einbetoniert.“ Strache sagte zudem, „in der Ostukraine hat es sich ja beruhigt, zumindest in der medialen Darstellung“. Laut den Frontbeobachtern der OSZE jedoch war die vorige Woche mit 7700 Waffenstillstandsverletzungen die schlimmste in diesem Jahr. Woher haben die prorussischen Aufständischen Artillerie und Panzer? „Ich gehe davon aus, dass sie das in Russland kaufen, wie der ukrainische Staat seine militärische Lieferung aus den USA bezieht“, meinte Strache. Er habe jedenfalls vom Kreml eine Einladung zur Eröffnungsfeier der Fußball-WM in Moskau erhalten und werde ihr folgen: „Der Sport ist integrativ. Ich halte nichts davon, das zu boykottieren.“

Hinsichtlich des künftigen EU-Haushalts wiederholte Strache seine Forderung, dass „die EU-Struktur effizienter und schlanker werden“ müsse. Wo genau wolle er sparen? Bei der Landwirtschaft? Der Kohäsionspolitik? „Ich bin jetzt nicht der Experte, wo in der EU die Dinge falsch laufen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2018)

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