System Erdogan: Wie der türkische Präsident die eigene Währung zerstört

Die Rettungsaktion der türkischen Notenbank für die Lira greift nicht. Die Anleger glauben nicht, dass Präsident Erdogan die Währungshüter wirklich von der Leine lässt.

Diese Notbremsung kam zu spät. Am Mittwochabend hob die türkische Notenbank überraschend die Zinsen an, um den drastischen Verfall der Landeswährung Lira zu stoppen. Selbst Präsident Recep Erdogan, der bisher von den Währungshütern stets niedrigste Zinsen "verlangte", murmelte spätabends im TV etwas darüber, dass sich die Investoren  nicht zu sorgen brauchten weil sich die Türkei "an die globalen Prinzipien der Geldpolitik" halten werde. Na immerhin.

Das Problem ist nur: Die Investoren glauben dem türkischen Machthaber, der Ende Juni wiedergewählt werden möchte, offenbar kein Wort. Sie haben die Hoffnung darauf, dass die türkische Notenbank bald wieder so unabhängig arbeiten kann, wie es das Gesetz vorsieht, längst verloren. Das ist kein Wunder, droht Erdogan den Währungshütern doch regelmäßig, die Macht über die Geldpolitik ganz an sich zu reißen, wenn sie auch nur daran denken, die Zinsen auf ein Niveau anzuheben, das der Wirtschaftsentwicklung des Landes entspricht. Damit spricht er - gewollt oder ungewollt - eine Einladung an alle kurzfristig orientierten Anleger aus, gegen die Notenbank und damit gegen die Lira zu wetten.

Talfahrt geht ungebremst weiter

So setzte die Lira nach wenigen Stunden Verschnaufpause am Donnerstag ihre Talfahrt in voller Geschwindigkeit fort. Seit Jahresbeginn hat die Lira nun schon mehr als ein Fünftel gegenüber Dollar und Euro verloren. Vor fünf Jahren war die Lira noch doppelt so viel wert.

Das freut zwar vielleicht den einen oder anderen Österreicher, der jetzt billiger in der Türkei urlauben kann. Die türkische Volkswirtschaft, die im Vorjahr schneller gewachsen ist als China, stellt diese Entwicklung aber vor eine Zerreißprobe. Etliche türkische Konzerne sind bereits in Schieflage geraten, da sie ihre hohen Dollarschulden nicht mehr tilgen können. Die Bürger spüren die schwache Währung durch eine rapide steigende Inflation bei Importgütern wie Benzin und Diesel.

Wirtschaft überhitzt

Die traditionelle Antwort der Geldpolitik wären deutlich höhere Zinsen im Rahmen von rund 20 Prozent. Sie würden die Währung stärken, Investoren locken und die Inflation drücken. Doch statt die Notenbank ihren Job erledigen zu lassen, hält Erdogan an seiner Forderung nach immer mehr billigem Geld fest, um die heißgelaufene Wirtschaft zumindest über den vorgezogenen Wahltermin hinaus auf Temperatur zu halten.

Mag sein, dass ein paar Zehntelprozentpunkte mehr Wirtschaftswachstum an den Wahlurnen gut ankommen. Seinem Land tut er mit dem dreisten Griff nach der Macht über das Geld mit Sicherheit keinen Gefallen.

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