Diktator Kim Jong-un inszenierte sich heuer als großer Friedensfürst, ehe ihn der Sturz des libyschen Despoten abschreckte.
Wien/Pjöngjang. Die Sprengung des Atomtestareals Punggye-ri, die die nordkoreanischen Militärs am Donnerstag exekutierten, sollte aller Welt und insbesondere der Trump-Regierung noch einmal den Friedenswillen des Regimes in Pjöngjang vor Augen führen. Das Gelände hatte seinen Zweck erfüllt und war nutzlos geworden. Dies war den USA nicht verborgen geblieben.
Es war der letzte Akt in der Inszenierung des Diktators Kim Jong-un, die er mit einer Friedensouvertüre gegenüber Südkorea in seiner Neujahrsansprache spektakulär eingeleitet hatte. Es fehlte nicht an Gesten und politischer Symbolik. Das gemeinsame koreanische Team bei den Olympischen Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang kam bereits einer kleinen Sensation gleich – ebenso die Entsendung seiner Schwester zur Eröffnung. Die Charmeoffensive setzte sich in einem historischen Gipfel zwischen Kim und Südkoreas Präsidenten, Moon Jae-in, fort. Im Grenzort Panmunjom ließ Kim mit dem Angebot einer atomaren Abrüstung auf der koreanischen Halbinsel aufhorchen.
Ein erster Besuch Kim Jong-uns bei Xi Jinping, dem chinesischen Schutzherrn, folgte im Mai ein zweiter – und eine Verhärtung der Position Pjöngjangs. Kim bestand plötzlich darauf, sein Atomarsenal nicht ganz abzugeben. Das „libysche Modell“, das die US-Regierung ins Spiel gebracht und das mit dem Sturz des Diktators Gaddafi geendet hatte, schreckte Kim letztlich ab. (vier)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2018)