Tierschützer-Prozess: "Kein Forum für politische Statements"

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TierschuetzerProzess Kein Forum fuer(c) REUTERS (STRINGER/AUSTRIA)
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Von Demos begleitet hat in Wiener Neustadt der Prozess gegen 13 Tierschützer begonnen. Die Richterin betont, dass die Verhandlung keine Bühne für polarisierende Aussagen sei. 34 Verhandlungstage sind angesetzt.

Unter großem Medien- und Publikumsinteresse hat am Dienstag am Landesgericht Wiener Neustadt der Prozess gegen 13 Tierschützer begonnen. Sie sind wegen der Beteiligung an einer kriminellen Organisation angeklagt. Grundlage der Anklage ist Paragraf 278 a, der so genannte "Mafia-Paragraf". Sechs der Angeklagten  stehen ausschließlich wegen dieses Paragrafen vor Gericht.

Richterin Sonja Arleth stellte eingangs fest, dass es in dem Verfahren lediglich um den Prozessstoff gehe. Das Gericht diene nicht als Forum für politische Statements oder polarisierende Aussagen. Arleth betonte das Interesse an einem fairen Prozess und das Ziel einer effizienten, sachlichen und nüchternen Prozessführung.

Staatsanwalt Wolfgang Handler nahm Bezug auf die mediale Bezeichnung "Tierschützer-Prozess": "Um den Tierschutz als solchen geht es nicht", dieser stehe außer Frage. Im Verfahren gehe es um materielles Recht.

Alle Angeklagten bekannten sich nicht schuldig. Mit den Ausführungend er fünf Anwälte ist der erste Prozesstag am Nachmittag zu Ende gegangen. Er wird am Donnerstag fortgesetzt.

Staatsanwalt erläutert Kontakt zu militanten Briten

Zum angeklagten Paragraf 278 a erläuterte Handler die österreichischen Kontakte zu internationalen Netzwerken des Tierrechtspektrums, ausgehend von der britischen ALF (Animal Liberation Front) in den 1970er Jahren. Handler verwies auf Kontakte des Erstangeklagten, dem Obmann des Vereins gegen Tierfabriken Martin Balluch, zu militanten Briten.

Nachher führte der Staatsanwalt Kampagnen, Nötigungsversuche, Sabotageakte und Sachbeschädigungen mit zig Tausenden Euro Schaden an. So sei 1997 die Anti-Pelz-Kampagne gegen Kürschner und Nerzfarmen gestartet und 2006 zu einer Offensive gegen die Pelzindustrie intensiviert worden. Ziele waren die Modekette "C & A", "Peek & Cloppenburg", "Escada", "Fürnkranz" und Kleider Bauer".

Der Zweitangeklagte habe die Aktionen gemeinsam mit Martin Balluch vorbereitet, habe Örtlichkeiten ausgekundschaftet, Kontakte aufgenommen und sei bei der Erstürmung einer Pelzfarm in den Niederlanden dabei gewesen. Die weiteren Angeklagten hätten ebenfalls u.a. Unternehmen kontaktiert, Recherchen und Inspektionsfahrten begangen, Bekennerschreiben verfasst und Sitzungen organisiert.

Verteidiger: Vorwürfe "an den Haaren herbeigezogen"

Nach dem Staatsanwalt kam Stefan Traxler zu Wort. Der Anwalt vertritt vier VGT-Zugehörige und einen weiteren Angeklagten. Traxler bezeichnete die im Akt genannte Schadenssumme von 1,3 Millionen Euro als "an den Haaren herbeigezogen".

Für ihn sei schwierig zu entscheiden, ab wann ein VGT-Mitglied zu einer kriminellen Organisation gehöre, so der Anwalt. Er fragte, warum von den zahlreichen Verdächtigen 13 übrig geblieben seien, die 14. Person aber nicht angeklagt wurde. Im Raum stehe auch die Frage der Grenze zwischen ideologischem Denken und Kriminalität.

Die Staatsanwaltschaft habe über Jahre hindurch Telefonprotokolle und E-Mail-Verkehr der Verdächtigen vorliegen - viele der Vorwürfe seien darin nicht auffindbar.

Auch die Anwälte der weiteren Angeklagten bezeichneten die Vorwürfe unter anderem als "von der strafrechtlichen Relevanz her lächerlich".

Demos vor dem Gericht

Vor dem Gericht wurde Solidarität mit den Angeklagten demonstriert. Mehrere Dutzend Aktivisten und Sympathisanten versammelten zu einer Demonstration. "Tierschutz lässt sich nicht mundtot machen", "Tierschutz darf nicht kriminalisiert werden", "§ 278 a: Getroffen hat es einige, gemeint sind wir alle", stand u.a. auf Transparenten zu lesen.

300 Seiten starker Strafantrag

Sechs der 13 Beschuldigten, davon fünf vom Verein gegen Tierfabriken (VGT) mit Obmann Martin Balluch an der Spitze, sind ausschließlich nach § 278 a angeklagt. Balluch selbst hatte im Vorfeld des Verfahrens in Wiener Neustadt wiederholt die Öffentlichkeit gesucht, um auf die seiner Ansicht nach fragwürdige Anwendung des sogenannten Mafia-Paragrafen auf NGO's aufmerksam zu machen. Unterstützung kam kurz vor dem Prozess von 220 Prominenten, Künstlern und Privatpersonen, die sich aus Solidarität selbst anzeigten.

Bis zum 17. Juni sind 34 Verhandlungstage angesetzt. Im mehr als 300 Seiten starken Strafantrag sind weiters u.a. Nötigungen bzw. -versuche, Sachbeschädigungen, Sabotageakte durch Einleiten von Buttersäure, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Tierquälerei angeführt. Beschrieben werden u.a. verkaufsstörende "Stürmungen" von Textilgeschäften oder einer Nerzfarm im Rahmen diverser Kampagnen. Großen Raum nimmt der Faktenkomplex "Kleider Bauer" ein, zu dem allein Dutzende Zeugen geladen wurden.

(APA)

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