Spezialisierungen, die als sichere Bank galten, zeigen erstmals ein Ablaufdatum. Andere boomen – bis auf Weiteres. Der Ruf nach „mehr Life und weniger Work“ wird lauter.
Spezialisiert euch auf Corporate und auf Merger & Acquisitions“, hieß es noch vor Kurzem. Eine sichere Bank sei das, belegt etwa durch den Übernahmerekord von allein 657 US-Unternehmen durch europäische Käufer im Jahr 2017.
Noch brauche es M&A-Experten zuhauf, bestätigt Ingo Dieter Joham, Partner und Head of Legal Search bei der auf Juristen spezialisierten Personalberatung Lawyers & More. Doch diese seien eine gefährdete Spezies: „Die Digitalisierung macht auch vor Due-Diligence-Datenräumen nicht Halt. Algorithmen arbeiten besser und effizienter.“ Lange werde es nicht mehr dauern, bis die Nachfrage nach M&A-Experten einknickt.
Andere Spezialisierungen bleiben Dauerbrenner. Bankmarktfinanzierung und Kapitalmarktrecht etwa, typischerweise bei großen bis mittleren Kanzleien oder bei Anwaltsboutiquen angesiedelt. Dort werden sie auch gut bezahlt. Gut bezahlt heißt 15 bis 20 Prozent über dem Schnitt. „Allein im Wiener Markt haben wir 15 Kanzleien mit Einstiegsgehältern über 42.000 Euro gezählt. Manche zahlen bis zu 48.000 Euro im Jahr“, sagt Joham. Da spreche er von „Absolventen mit normaler Studiendauer, ein paar Praktika und vielleicht einem Auslandssemester". Anders in den Bundesländern: Dort wird weniger gezahlt.
Goldgrube DSGVO
Auch oft gesucht: regulatorisches Bankenrecht, weniger aus Eigeninteresse der Unternehmen, eher wegen der staatlichen Zwangsbeglückung mit immer mehr regulierter Materie. Und dann ist da noch die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Wer sie beherrscht, ist derzeit heiß begehrt – jedoch: „Es gibt wenige ausgebildete Leute im Markt. Diese hat ja vorher niemand gebraucht.“
Jetzt glimme der Hut (wenn er denn nicht schon brenne). Haupttreiber sind die exorbitant hohen Strafen, die der europäische Gesetzgeber in den Raum stellt: „Da bekommen es viele mit der Angst zu tun.“
Die Angst wird wohl anhalten. Denn es ist abzusehen, dass die Behörden Exempel statuieren werden. Noch dominiert bei den Juristen die präventive Arbeit, in der Folge wird es zu Anklagen und streitigen Themen kommen. In anderen Worten: Der Boom der Datenschutzexperten wird noch eine Weile anhalten. Das ist die große Chance der zweiten Reihe, jener Kandidaten, die aufgrund ihres bisherigen Lebenslaufes weniger reüssieren konnten – wenn sie denn eine Datenschutzspezialisierung vorweisen können. Auch hier gilt: Was knapp ist, wird gut bezahlt, wieder 15 bis 20 Prozent über dem üblichen Salär.
Mehr Geld - die falsche Antwort
Die Universitäten sind voll. Die Kanzleien sind bereit, gut zu zahlen. Warum finden sie dann so wenige Konzipienten? „Weil sie den Wunsch des Nachwuchses nach mehr Life und weniger Work nicht respektieren“, weiß Joham. „Sie denken, die Antwort darauf ist mehr Geld.“
Eine Zeit lang lassen sich die Konzipienten darauf ein, aber nach ein paar Monaten springen sie entnervt ab. Dann ist der Frust auf beiden Seiten hoch: Die Talente bleiben mit enttäuschten Hoffnungen zurück, die Kanzleien mit neuerlich hohem Recruiting- und Einschulungsaufwand.
Progressive Ansätze
Aus Deutschland sind Joham exemplarisch zwei Modelle bekannt, die dem Wunsch der jungen Generation nach mehr Freizeit nachkommen. Bei Linklaters LLP habe man die Möglichkeit, seine Arbeitszeit auf maximal 40 Wochenstunden zu beschränken. Doch das habe seinen Preis: den Verzicht auf ein Drittel des Gehalts und auf den Partner-Track. Die Kanzlei Mayer Brown wiederum kompensiere lange Arbeitszeiten mit bis zu 50 Urlaubstagen im Jahr.
Und Österreich? Progressive Ansätze habe er nirgends im Markt entdeckt, bedauert Joham: „Dabei hätten das viele gern.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2018)