Karadzic: Srebrenica-Massaker "maßlos übertrieben"

Karadzic Serben Opfer staatlich
Karadzic Serben Opfer staatlich(c) EPA (ALOYS OOSTERWIJK / COURTROOM DRA)
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Der frührere bosnische Serbenführer Radovan Karadzic bestreitet vor dem UN-Tribunal das Massaker von Srebrenica. Leichen seien "eigens in die Gegend gebracht" worden. Der Prozess wurde erneut ausgesetzt.

Der wegen Völkermordes angeklagte Ex-Serben-Führer Radovan Karadzic hat bestritten, dass bosnisch-serbisch Truppen jemals ein Massaker in Srebrenica verübt haben. Die Berichte über die Massenmorde seien maßlos übertrieben, sagte Karadzic am Dienstag vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag. Nach seiner Anhörung wurde der Prozess erneut für unbestimmte Zeit unterbrochen.

Alle Berichte über Massenmorde an Muslimen 1995 in der damaligen UNO-Schutzzone seien "maßlos übertrieben" und beruhten zudem auf unbewiesenen Behauptungen, sagte Karadzic. In Wirklichkeit hätten die Serben im Juli 1995 in der Gegend von Srebrenica lediglich auf Angriffe von bosnisch-muslimischen Kampfgruppen reagiert.

Bei den Auseinandersetzungen seien "höchstens 2000 bis 3000" bosnische Muslime getötet worden, "aber keineswegs 8372, wie dies auf einem Gedenkstein behauptet wird". Zudem sei es nichts weiter als bösartige Propaganda, zu behaupten, dass die Serben in Srebrenica auch junge Männer grundlos erschossen hätten. "Das waren Kämpfer im Alter von etwa 16 Jahren." 

Leichen "eigens in die Gegend gebracht"

Nach UNO-Angaben eroberten bosnisch-serbische Truppen die von Muslimen Stadt Srebrenica am 11. Juli 1995. Wenige Tage später wurden nach diesen Angaben rund 8000 überwiegend männliche Muslime von den Serben abgeführt, erschossen und in Massengräbern verscharrt. Karadzic behauptete nun, viele der später ausgegrabenen Leichen seien vermutlich aus anderen Konfliktgebieten eigens in die Gegend gebracht worden.

Am Montag hatte Karadzic nach einer mehrmonatigen Verzögerung seines Verfahrens erstmals zur Anklage wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in elf Fällen Stellung genommen. Dabei erklärte er, die Serben hätten während des Bosnien-Krieges (1992-95) einen "gerechten und heiligen Kampf" geführt, um ihre Vertreibung durch die bosnischen Muslime und Kroaten zu verhindern.

Prozess auf unbestimmte Zeit ausgesetzt

Der Prozess wurde am Dienstag erneut auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Der Vorsitzende Richter O-Gon Kwon gab einem Antrag des Angeklagten statt, mehr Zeit für die Vorbereitung auf die Anhörung von Zeugen zu bekommen. Damit sollte eigentlich am Mittwoch begonnen werden. Der Richter ordnete jedoch an, dass zunächst die Entscheidung der Berufungskammer über den Antrag von Karadzic abzuwarten sei.

Der Prozess gegen den Ex-Präsidenten der Republika Srpska, der am 26. Oktober 2009 mehr als ein Jahr nach seiner Festnahme begann, ist immer wieder durch Verfahrensanträge Karadzic' hinausgezögert worden. Die Eröffnung der Hauptverhandlung mit der Verlesung der Anklage hatte Karadzic boykottiert. Auch jetzt hatte er wieder mit einem Boykott gedroht.

Anklagepunkte

Radovan Karadzic muss sich in elf Anklagepunkten wegen Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnienkriegs von 1992 bis 1995 verantworten. Im Falle eines Schuldspruchs droht Karadzic als Höchststrafe lebenslange Haft.

Im Mittelpunkt der Anklage stehen das Massaker von Srebrenica, bei dem 1995 rund 8000 Muslime getötet wurden, und die 44-monatige Belagerung der bosnischen Hauptstadt Sarajevo, bei der mehr als 10.000 Menschen starben.

(APA)

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