Aus Vinyl noch mehr herausholen

Genauer gepresste Rillen sorgen für besseren Klang und ermöglichen längere Spielzeit.
Genauer gepresste Rillen sorgen für besseren Klang und ermöglichen längere Spielzeit.(c) imago/Kraft (Uwe Kraft)
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Die Schallplatte soll noch besser klingen, das verspricht HD-Vinyl, eine Erfindung aus Österreich, die nichts Geringeres will, als den Weltmarkt zu erobern.

HD-Vinyl – das klingt ein wenig nach Marketing-Masche. Doch dahinter steht eine auch von der Fachwelt mit Wohlwollen betrachtete technische Innovation, die der ohnehin im Aufwind befindlichen Schallplatte neuen Schub geben könnte. Die Idee ist, die Rillen des „Stampers“, der zur Pressung verwendet wird, statt mit mechanischen Verfahren mit einem Laser zu gravieren. Ausgangsbasis ist ein hochauflösendes Musikfile, aus dem der Schnittverlauf berechnet wird. Vater dieser Idee ist Günter Loibl, der sie gemeinsam mit Volker Schmidt von der FH Joanneum zu einem praktikablen Verfahren weiterentwickelt hat. Loibl erklärt die Vorteile der Laser-Gravur:. „Der Laser ermöglicht feinere Strukturen und damit einen theoretischen Frequenzgang bis zu 100 kHz – konventionelle Platten halten bei etwa 15 kHz, dadurch, dass das „Rillenmuster“ vorab berechnet wird, kann man den jeweiligen Abstand der Rille anpassen und so den Platz auf der Platte optimal ausnutzen. Das ergibt bis zu 30 Prozent längere Spielzeiten. Alternativ können Dynamik und Signal/Rauschverhältnis verbessert werden.“

Wie viel von der theoretischen Verbesserung tatsächlich hörbar sein wird – noch gibt es keine HD-Platte, sondern nur ein 4 x 4 cm großes Testmuster –, hängt auch vom Wiedergabegerät ab. „Entscheidend sind Tonabnehmer und Tonarm“, sagt Loibl. Die genaueren Rillen könnten am besten mit Nadeln erfasst werden, deren Schliff darauf abgestimmt ist. Namhafte Hersteller planen laut Loibl bereits passende Geräte.

Für viele noch wichtiger: HD-Platten werden auch auf herkömmlichen Plattenspielern abspielbar sein. Und auch ohne Spezial-Nadel bringen sie Vorteile. Da ist zum einen der Spurfehler, der dadurch entsteht, dass tangential geschnitten, aber (meist) radial abgetastet wird. Dieser wird bei der Berechnung berücksichtigt und so eliminiert. Wichtiger noch ist die konstante Qualität der gesamten Auflage. „Die Musikinformation wird direkt in einen Stamper aus Keramik gefräst. Im herkömmlichen Verfahren wird zuerst in ein weicheres Medium geritzt und dann mehrfach umkopiert, das geht immer zu Lasten der Qualität “, sagt Loibl. Zudem verschleißen herkömmliche Metall-Stamper relativ rasch. Das hat zur Folge, dass späte Pressungen deutlich schlechter sind.“

Musiklabels interessiert.
Ein Umstand, der nicht nur audiophile Vinyl-Enthusiasten grämt, sondern auch die Musikindustrie. Das jedenfalls berichtet Loibl von Gesprächen mit Branchenvertretern, die er kürzlich auf der High-End-Messe in München geführt hat. Dass die Musiklabels an dem neuen Verfahren brennend interessiert sind, verwundert wenig – eine Möglichkeit, bestehenden Content noch mal zu vermarkten, ist immer willkommen. Zudem seien einige Hersteller selbst mit der schwankenden Qualität ihrer Platten unzufrieden. Selbstkritik der Branche gibt es laut Loibl auch in anderer Hinsicht. Gute Aussichten also für HD-Vinyl. Das meint offensichtlich auch das AWS und stellt gemeinsam mit anderen Investoren 4,3 Millionen Euro für die Realisierung zur Verfügung.

Die ersten Stamper sollen im Sommer 2019 produziert sein und – zuzüglich Lizenzgebühr – an Presswerke verkauft werden. Loibl meint, dass bis dahin auch erste Plattenspieler für HD-Vinyl erhältlich sein werden. Zudem will seine Firma Rebeat Innovation selbst passende Geräte anbieten. Da das System ohnehin abwärtskompatibel ist, ist er optimistisch, dass sich die Presswerke rasch und flächendeckend auf sein System umstellen. Entscheidend sei die Nachfrage seitens der Label. „Dann wird jede Platte auf der Welt ein bisschen ,rot-weiß-rot‘ sein“, so seine Vision. Dass diese deutlich teurer sein werden, bezweifelt Loibl. Die Albenpreise seien jetzt schon am Limit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2018)

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