Vom Schiedsrichter der politischen Krise zum Erzfeind antieuropäischer Kräfte: Der zurückhaltende Präsident ist mit der größten Herausforderung seiner politischen Karriere konfrontiert.
Vom Krisenmanager im politischen Rom zum Erzfeind europakritischer Kräfte: In wenigen Tagen ist der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella vom neutralen Schiedsrichter der politischen Verhandlungen in Rom zur Zielscheibe antieuropäischer Gruppierungen geworden.
Der zurückgezogene und schüchtern wirkende Mattarella ist mit der größten Herausforderung in seiner politischen Karriere konfrontiert. Der seit Anfang 2015 amtierende Mattarella griff am Sonntagabend dezidiert ein und stemmte sich gegen den von der Lega vorgeschlagenen Euro-Kritiker Paolo Savona als Wirtschaftsminister. Damit scheiterten die Verhandlungen für eine Regierung aus Lega und Fünf Sterne-Bewegung unter der Regie des unbekannten Rechtsprofessors Giuseppe Conte.
Ein Präsident sei wie ein "Schiedsrichter", erklärte Mattarella kürzlich. "Wenn das Spiel regelkonform abläuft, bemerkt man den Schiedsrichter nicht einmal. Er greift nur ein, wenn die Dinge nicht funktionieren", beschrieb der 76-Jährige sein Amtsverständnis. Vor dem Schreckgespenst einer europafeindlichen Regierung hat der gebürtige Sizilianer seine neutrale Rolle aufgeben müssen und hart eingegriffen. Damit hat er sich furiose Kritik zugezogen. Weil er die Bildung einer politischen Regierung verhindert habe, fordert die Fünf Sterne-Bewegung jetzt seine Amtsenthebung.
Präsident entscheidet, wer Regierung bilden darf
Der italienische Präsident, der laut Verfassung über beschränkte Kompetenzen verfügt, hauptsächlich repräsentative Funktionen innehat und vom Parlament verabschiedete Gesetze unterzeichnet, spielt bei politischen Krisen eine wichtige Rolle. Verfassungsgemäß führt das Staatsoberhaupt Konsultationen mit allen Parteien. Er kann den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen oder Neuwahlen ausschreiben, sollte er feststellen, dass es unmöglich ist, ein neues Kabinett zu bilden. Er kann wie im Fall Savona auch einzelne Minister ablehnen.
Wie Mattarella jetzt mit der politischen Krise in Rom weiter umgeht, ist noch unklar. Fest steht, dass der wortkarge Präsident zum Erzfeind der frustrierten Lega und der Fünf Sterne-Bewegung geworden ist, die knapp vor der Regierungsübernahme standen und nun wahrscheinlich eine Expertenregierung akzeptieren müssen, die das Land in Neuwahlen führt.
Mattarella wird all sein diplomatisches Geschick aufwenden müssen, um Italien ein politisches Chaos zu ersparen und dem Land neue Horizonte zu öffnen. Er wird auch starke Nerven bewahren müssen: Denn 86 Tage nach den Parlamentswahlen ist immer noch kein Ausweg aus der Sackgasse in Sicht. Der Weg zu einer Regierung bleibt hürdenreich.
(APA)