Datenschutz ist in Deutschland ein sensibles Thema: Das zeigt schon die Rekordzahl an Klagen im aktuellen Fall. Auch die FDP-Justizministerin bekämpfte das Gesetz vor dem Höchstgericht.
Wien/Berlin.Wenn die deutsche Regierungspartei FDP etwas durchsetzen will, muss sie vor das Verfassungsgericht ziehen, könnte man boshaft sagen: Tatsächlich zählten mehrere namhafte FDP-Politiker, an der Spitze Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, zu den 35.000 Klägern gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung.
Eingebracht hat die streitbare Politikerin die Klage von der Oppositionsbank aus. Als sie im Herbst Justizministerin wurde, rückte sie nicht davon ab, was sie auf Konfrontationskurs mit dem Koalitionspartner CDU brachte. Spätestens seit Leutheusser 1996 aus Protest gegen den „Großen Lauschangriff“ ihr erstes Ministeramt niedergelegt hat, gilt sie als prinzipienfeste Bürgerrechtlerin.
Datenschutz ist in Deutschland ein sensibles Thema: Das zeigt schon die Rekordzahl an Klagen im aktuellen Fall. Monate nach Einführung der Vorratsdatenspeicherung gingen in Berlin mehr als 10.000 Menschen dagegen auf die Straße. Sie können sich in ihren Bedenken bestätigt sehen: Einige Telekomfirmen speicherten laut des Datenschutzbeauftragten Peter Schaar sogar mehr Daten als vorgeschrieben.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht in einer Tradition von Sprüchen zur Stärkung der Bürgerrechte: Es kippte bereits die Lizenz zum Abschuss entführter Passagierflugzeuge, die Massenkontrolle von Autokennzeichen und Online-Durchsuchungen. Hans-Jürgen Papier, sein scheidender Präsident, warnte lange vor dem Urteil vor einer „gedankenlos ausgreifenden Computertechnologie“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2010)