Wie der Verfassungsschutz umgebaut werden soll

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist seit der Hausdurchsuchung Ende Februar im Chaos.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist seit der Hausdurchsuchung Ende Februar im Chaos.(c) APA (Herbert Neubauer)
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Es soll ein Amt für Cybersecurity entstehen, der Verfassungsschutz den Kriminalämtern auf Bundes- und Landesebene zugeschlagen werden. Der Rest des BVT soll ein „echter Geheimdienst“ werden, der deutlich politischer gesteuert wäre als das derzeit der Fall ist.

Noch am Donnerstag vergangener Woche dementierte das Innenministerium Umbaupläne für das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) – um dann am Samstag zu verkünden, dass man nun Reformen „wie im Regierungsprogramm vorgesehen“ endlich angehen wolle. Dort steht nur, dass die Zusammenarbeit zwischen BVT, Bundeskriminalamt (BKA) und Heeresdienst angestrebt wird. Intern laufen Gespräche auf Hochtouren – die „Presse“ konnte erste Eckpunkte in Erfahrung bringen.

Ein Amt für Cybersecurity wird angestrebt. Es soll eigenständig sein und die dafür derzeit zuständigen Abteilungen des BVT und des Bundeskriminalamtes (BKA) zusammenfassen. Das Amt soll weiterhin im Innenministerium angesiedelt sein und würde rund 300 Mitarbeiter umfassen.

Die Verschmelzungvon BVT und BKA ist in Vorbereitung. Große Teile der Abteilung II (Terrorismus und Extremismus), sollen umgeschichtet werden. Die Abteilung zwei hat mit Karl Lesjak übrigens einen neuen Leiter bekommen: Er war Leiter der Organisierten Kriminalität im BKA, dann viele Jahre bei Interpol, kurz beim BVT und zuletzt wieder beim Bundeskriminalamt. Sein Vorgänger in der Abteilung II, Martin Weiss, ist übrigens Hauptbelastungszeuge in der BVT-Causa. Gegen ihn gibt es nun Anzeigen wegen Verleumdung und Rufschädigung. Funfact: Einer der Anwälte, die im Auftrag eines Mandanten gerichtlich gegen Weiss vorgehen wollen, ist Gabriel Lansky. Dieser wird als Geschädigter in der Causa geführt und erhebt Vorwürfe gegen das BVT. Auf Landesebene soll der Verfassungsschutz (LVT) den Landeskriminalämtern überantwortet werden.

Ein echter „Geheimdienst“ soll aus dem entstehen, was dann noch vom BVT übrig ist. Also im Großen und Ganzen die Analyseabteilung und die Spionageabwehr. Letztere Abteilung ist nun auch führungslos. Ihr Chef, der als einer der Beschuldigten in der BVT-Causa gilt, wurde zuerst suspendiert und vergangene Woche dann entlassen. Die Entlassung hat allerdings nichts mit den Vorwürfen in der BVT-Causa zu tun (er soll nordkoreanische Passrohlinge an Südkorea weitergegeben haben), sondern weil er Akten zu Hause aufbewahrt hatte. Er gibt an, im Pflegeurlaub für seine Tochter von zu Hause gearbeitet zu haben. Der Mitarbeiter ist übrigens nicht der erste, der mit klassifizierten Akten zu Hause erwischt wurde – zu einer Entlassung kam es deswegen bisher aber noch nicht.

Jedenfalls wird es einen neuen Leiter brauchen – und das wird jemand sein, der sich vor allem um die Vertretung nationaler Interessen kümmert - denn das ist es, was ein Nachrichtendienst tun soll. Und welche Interessen da verfolgt werden soll, das wird normalerweise von den regierenden Politikern definiert. Bisher lagen die Arbeitsschwerpunkte im BVT bei der Beobachtung der Spionagetätigkeiten von Russland, Nordkorea und zuletzt der Türkei.

Geheimdienstkoordinator angedacht

Während sich das BVT als Polizeibehörde derzeit vor allem um strafrechtliche Delikte kümmert und sich auch nur in dem Rahmen bewegen kann, würde ein Nachrichtendienst viel politischer gesteuert sein und andere Befugnisse haben. Der Vorteil: Er könnte präventiver arbeiten, bräuchte nicht für jede Ermittlung die Erlaubnis eines Staatsanwaltes, wäre somit flexibler und agiler. Der Nachteil: Genau diese Kontrollinstanz des Staatsanwaltes würde auch wegfallen, das Konstrukt insgesamt geheimer und intransparenter werden.

Angedacht ist übrigens wie nach deutschem Vorbild ein Geheimdienstkoordinator, der sich um die Zusammenarbeit von Heeresnachrichtendienst, Abwehramt und BVT kümmern soll. Dieser könnte im Bundeskanzleramt oder bei FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache angesiedelt sein. Der FPÖ unterstehen derzeit mit dem Innen- und dem Verteidigungsministerium alle Nachrichtendienste. 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2018)

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