Faymann: "Bereiten nicht sieben neue Steuern vor"

Werner Faymann
Werner Faymann(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Der Kanzler spricht sich im "Presse"-Interview für mehr Spar-Druck auf die Länder aus. Die neue "Transparenzdatenbank" sieht Faymann als Werkzeug für mehr Gerechtigkeit.

„Die Presse“: Die ÖVP hat ihre Zustimmung zur Mindestsicherung an ein Sozialtransferkonto geknüpft, das jetzt Transparenzdatenbank heißt. Ein Junktim?

Werner Faymann: Es stimmt: Wir haben bei der Mindestsicherung gewusst, was wir wollen, und die ÖVP hat es kurz aufgehalten. Jetzt kommt aber nicht das Sozialtransferkonto, sondern eine Arbeitsgruppe, die auflisten wird, welche Leistungen es in unserem Land gibt – sowohl monetär als auch nicht monetär. Da geht es um Förderungen, um mögliche Doppelgleisigkeiten zwischen Bund, Land und Gemeinde, um Gerechtigkeit.

Man hat das Gefühl, die ÖVP wird den SPÖ-Wunsch der Bankensteuer zu Tode administrieren und die SPÖ wird dasselbe mit dem Sozialtransferkonto tun.

Faymann: Wenn das herauskäme, würden wir es schlecht machen.

Haben Sie denn zugestimmt, dass sich die Bankensteuer – wie es sich Ihr Vizekanzler wünscht – nur auf Finanzspekulation bezieht?

Faymann: Es ist in Ordnung, wenn die, die im spekulativen Bereich arbeiten, mehr zahlen. Aber es sollen sicher nicht am Schluss statt 500 nur mehr 100 Millionen Euro übrig bleiben.

Und was bleibt von der „Transparenzdatenbank“ übrig? Wenn jetzt jede Opern- oder Bahnkarte, die ja staatlich gestützt wird, mitgezählt wird, ist das unadministrierbar.

Faymann: Ich würde nicht übertreiben und brauche auch nicht jede Theaterkarte. Aber wenn zum Beispiel jemand eine Sachleistung wie den Gratiskindergarten nutzt, müsste das berücksichtigt werden. Ähnlich wäre das auch bei der Wohnbauförderung. Kriegen vielleicht die, die ohnehin schon recht gut verdienen, auch noch besondere Förderungen – und wir wundern uns darüber, dass wir mit dem Geld nicht auskommen? Wie treffsicher sind unsere Förderungen? Da arbeiten wir voll mit!

Das klingt jetzt komplizierter als die ursprüngliche ÖVP-Forderung, die Transferleistungen von Bund, Land und Gemeinden zusammenzuzählen und eventuell eine Höchstgrenze einzuziehen. Das stand ja dahinter, oder?

Faymann: Das müssen Sie den Herrn Finanzminister fragen. Ich bin gegen eine Neiddebatte, aber für eine treffsichere Verteilung. Eine grundsätzliche Diskussion können wir uns aber ohnehin nicht ersparen: Bei der Betrachtung des Budgetpfads bis 2013 stellt sich eine ganz wichtige Frage: Wenn wir zehn bis zwölf Milliarden in diesen Jahren zur Konsolidierung brauchen, dann bleibt – selbst wenn die Hälfte durch gerechte Einnahmen wie etwa die Bankensteuer erfolgt – trotzdem ein ganz gewaltiger Betrag übrig, den wir einsparen sollten. Europa hat sich zu einer sehr scharfen Konsolidierung entschlossen, die von amerikanischen Ratingagenturen mangels eigener europäischer Finanzarchitektur vorgegeben wurde. Europa hat ja nicht einmal die Kraft gehabt, selbst zu sagen, wann es wo sparen will.

Die SPÖ war ja nie eine Partei, die sich ein starkes Europa wünschte.

Faymann: Ein starkes wirtschaftliches und soziales Europa wünschen wir uns schon. Nur die Grenzen aufmachen und sich nicht fragen, was danach mit Lohn- und Steuerdumping passiert, das geht nicht.

Sie haben vor ein paar Wochen gefordert, dass sehr hohe Managergehälter steuerlich nicht absetzbar sein sollen. Kommt das jetzt auch – etwa bei Ex-Hypo-Chef Pinkls Abfertigung?

Faymann: Für mich ist die Frage, ob da jemand Millionen bekommt oder nicht, noch lange nicht beantwortet. Wir müssen rechtlich schauen, was man da ausschöpfen kann. Und wir müssen etwas für künftige Verträge machen. Das müsste etwas leistungsbezogener sein.

Diskutiert wurde auch eine Erhöhung der Mineralölsteuer. Der Tanktourismus verschlechtert ja unsere Ökobilanz.

Faymann: Wir profitieren aber auch vom Tanktourismus durch die Mehrwertsteuer. Umweltpolitisch wird uns das jedoch beim CO2 angerechnet. Das beschäftigt mich stark. Ich möchte aber nicht, dass der Bürger den Eindruck hat, wir bereiten jetzt eine Mineralölsteuererhöhung, CO2-Steuer und noch sieben andere neue Steuern vor. Mir geht es im Schritt eins um Einsparungsmaßnahmen. Schritt zwei sind gerechte Einnahmen, und da ist die Mineralölsteuer nicht dabei. Einen dritten Schritt will ich jetzt noch nicht setzen, weil sonst die öffentliche Debatte unser Sparziel zunichtemacht.

Wird nicht in den Bundesländern sehr viel Geld verschwendet?

Faymann: In den Bundesländern wird bei vielen doppelgleisigen Strukturen so getan, als wären die Vorschläge des Rechnungshofs alle unernst. Aber die muss man angehen. Wir haben in der Regierungssitzung auch gerade sehr intensiv darüber diskutiert, wie es mit unserer eigenen Spargesinnung steht, und wollen mit gutem Beispiel vorangehen: Wie schaut's zum Beispiel aus mit dem gemeinsamen Fuhrpark? Über gerechte Steuern werden wir auch reden, das geht ja gar nicht anders. Aber ich habe wirklich kein Interesse, dem Bürger mitzuteilen: Der Staat kann leider nicht sparen. Das Einzige, was ihm einfällt, sind neue Steuern.

Also Druck auf die Länder – am besten mit einer eigenen „Transparenzdatenbank“?

Faymann: Da hat Transparenz noch mehr Bedeutung, weil sie aufzeigt, wieso jemand eine Leistung zu einem besseren Preis erbringen kann. Dann kommt man auch raus aus der Debatte: Wenn du mir weniger Geld gibst, wird die Leistung schlechter. Wir können uns als Staat nicht auf den Standpunkt stellen: Was es kostet, kostet's, und wer lässt fragen?

Eine Frage zum Listerienskandal: Haben die Behörden zu langsam reagiert, was muss sich ändern?

Faymann: Es zeigt sich, dass es besser ist, wenn man in einem Betrieb dichtere Kontrollen durchführt. Die Frage ist auch, ob derzeit wertvolle Zeit aufgrund von Kompetenzfragen verloren geht.

Sie kamen innerparteilich wegen schlechter Wahlergebnisse im letzten Jahr schwer unter Druck.

Faymann: Ich bin unter Druck gekommen, weil es mir nicht gelingt zu vermitteln, dass ich die SPÖ zu einem Zeitpunkt übernommen habe, zu dem die FPÖ wieder stark war, und nicht zu dem Zeitpunkt, als sie am Boden gelegen ist. Auch im heurigen Wahljahr wird die FPÖ wieder von diesem Vergleich leben. Ich schau aber nach vorne und überlege mir, wie es mir gelingen kann, diese FPÖ wieder zu entlarven – als das, was sie für mich ist: eine Partei, die die Leute gegeneinander aufhetzt und die in der Wirtschaftskrise weder für die soziale Kraft noch für die wirtschaftlichen Notwendigkeiten etwas zu bieten hat. Das wird hart genug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2010)

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