Cottarelli: Ein Premier ohne Mehrheit sucht sein Kabinett

Derzeit sieht es wenig danach aus, als könnte Carlo Cottarelli tatsächlich vom italienischen Parlament zum Premierminister gewählt werden.
Derzeit sieht es wenig danach aus, als könnte Carlo Cottarelli tatsächlich vom italienischen Parlament zum Premierminister gewählt werden.APA/AFP/ALBERTO PIZZOLI
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Italiens neues Kabinett soll sich bis Ende dieser Woche der Vertrauensabstimmung im Parlament unterziehen. Dass Cottarelli tatsächlich gewählt wird, gilt als fraglich.

Sie soll nicht ewig halten, Italiens neue Expertenregierung. Fraglich ist auch, ob sie überhaupt eine Mehrheit im Parlament erhält. Doch Italiens designierter Premier Carlo Cottarelli feilt an seiner Regierungsmannschaft. Erwartet wird, dass der Finanzexperte am Dienstag oder spätestens Mittwoch Präsident Sergio Mattarella seine Ministerliste vorlegt.

Der ehemalige Direktor beim Internationalen Währungsfonds (IWF) arbeitet an einer schlanken Regierung mit circa zwölf angesehenen Ministerkandidaten. Diese müssen sich verpflichten, nicht an den nächsten Parlamentswahlen teilzunehmen, weil die neue Regierung eine neutrale Position gegenüber den Parteien einnehmen will, hatte Cottarelli am Montag betont.

Mehrere Experten im Gespräch

Als möglicher Wirtschafts- und Finanzminister kommt laut italienischen Medien der Generaldirektor der italienischen Notenbank, Salvatore Rossi, in Frage. Alternative Kandidaten für den Posten seien der ehemalige Rektor der Mailänder Eliteuniversität "Bocconi" Guido Tabellini sowie die Wirtschaftsprofessorin an der "London Business School", Letizia Reichlin.

Die hochrangige Diplomatin Elisabetta Belloni gilt als aussichtsreichste Anwärterin für den Posten des Außenministers, für den laut Medienberichten auch der italienische Botschafter in London, Pasquale Terracciano, im Gespräch ist. Infrastruktur- und Verkehrsminister könnte der Chef der Anti-Korruptionsbehörde ANAC, Raffaele Cantone, werden. Der Verwaltungsratspräsident der Triester Reederei Fincantieri, Giampiero Massolo, wird als Innenminister gehandelt. Enzo Moavero, Europaminister in der Regierung von Enrico Letta (2013-2014), könnte sein früheres Ressort wieder übernehmen.

Referendum "zwischen Volk und alter Kaste"

Cottarelli wird sich voraussichtlich Ende dieser Woche mit seiner Regierungsmannschaft der Vertrauensabstimmung im Parlament unterziehen. Sein Ziel sei es, das Budgetgesetz für das nächste Jahr und eine Wahlrechtsreform zu verabschieden und Italien bis zu den Neuwahlen im Frühjahr 2019 zu führen, die mit den EU-Parlamentswahlen zusammenfallen könnten.

Den Aussagen der Parteichefs zufolge könnte eine mögliche Regierung Cottarelli lediglich mit den Stimmen der PD-Abgeordneten fix rechnen. Lega, Fünf-Sterne-Bewegung, Forza Italia und die Rechtsgruppierung Fratelli d'Italia wollen gegen das Kabinett stimmen. Scheitert Cottarelli im Parlament, würde seine Regierung sofort zurücktreten und nur noch geschäftsführend tätig sein. Sie müsste dann das Land bis zu Neuwahlen im Herbst führen.

Auf Neuwahlen bereits im Herbst drängen fast alle Parteien mit Ausnahme der Sozialdemokraten. Lega und Fünf-Sterne-Bewegung erhoffen sich einen klaren Stimmenzuwachs. "Die nächsten Wahlen werden ein Referendum zwischen dem Volk und der alten Kaste sein", sagte Lega-Chef Matteo Salvini. Er zeigte sich überzeugt, dass die europakritischen Kräfte, die bei den Parlamentswahlen am 4. März 50 Prozent der Stimmen bekommen hatten, bei einem neuen Urnengang 70 Prozent schaffen könnten.

(APA)

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