Peter Kolba zieht sich aufgrund von „Intrigen“ im Parlamentsklub völlig zurück. Peter Pilz könnte nachrücken – doch dafür müsste eine Kollegin auf ihr Mandat verzichten.
Wien. Eigentlich wollte Peter Kolba am 31. Mai nur als Klubobmann der Liste Pilz zurücktreten. Doch wenige Stunden nachdem sich Bruno Rossmann und Wolfgang Zinggl am Donnerstag als neues Klubchef-Duo vorgestellt hatten, kündigte Kolba seinen kompletten Rückzug an. „Es reicht jetzt“, schrieb er auf Twitter. „Ich werde morgen mein Mandat zurücklegen und will mit dieser Liste nichts mehr zu tun haben.“
Was den Ausschlag für diese Entscheidung gegeben hat, ließ Kolba zunächst offen. Nur so viel schrieb er mit Verweis auf einen Bericht über die Querelen in der Liste Pilz: „Ich nehme zur Kenntnis, dass jetzt nachgetreten wird auf mich.“ Wenig später lieferte er eine „Klarstellung“ nach: Er habe lange durchgehalten, aber es sei ihm zu viel geworden. „Ich will nicht weit über 50 Prozent meiner Zeit in internes Intrigieren verschwenden. Ich hatte zwei Möglichkeiten: Klubaustritt oder Mandat niederlegen. Ich bin kein Sesselkleber, daher Mandatsverzicht.“
Mit diesem Schritt könnte der 59-Jährige das größte Problem der Partei gelöst haben: dass keiner der acht Abgeordneten auf sein Mandat verzichten möchte, um eine Rückkehr von Listengründer Peter Pilz in den Nationalrat zu ermöglichen. Wobei es nicht ganz so einfach ist: Wenn Kolba geht, wird sein Landesmandat aus Niederösterreich frei – Anspruch darauf hat eigentlich Maria Stern, die Zweitgereihte auf der Landesliste, die den Sprung ins Hohe Haus verpasst hat. Für ein Comeback von Pilz, der auf der Bundesliste und in der Steiermark kandidiert hat, müsste Stern auf das Mandat verzichten, dann könnte umgeschichtet werden: Rechtsanwalt Alfred Noll tritt sein Bundeslistenmandat an Peter Pilz ab und übernimmt das frei gewordene in Niederösterreich, wo er Drittgereihter hinter Kolba und Stern ist.
Wolfgang Zinggl, frischgebackener geschäftsführender Klubobmann, hält dieses Szenario für möglich. Aber: „Ich kann Ihnen nicht sagen, was Peter Kolba morgen sagt.“ Man müsse nun abwarten, er habe noch keine Gelegenheit gehabt, mit Kolba zu sprechen: „Es erwischt uns völlig kalt.“
Junge Frauen gegen ältere Männer
Am Vormittag hatte Zinggl bei einer Pressekonferenz mit Bruno Rossmann noch einen anderen Plan präsentiert: Martha Bißmann, die zuletzt in Ungnade gefallen war, solle Platz im Parlament machen. Immerhin habe sie ihr Mandat nur bekommen, weil Pilz vorübergehend darauf verzichtet habe. Kolba werde einfacher Abgeordneter bleiben und sich verstärkt um Bürgeranfragen kümmern.
Bißmann verkündete umgehend, dass sie nicht daran denke, den Nationalrat zu verlassen: „Ich bleibe dabei.“ Sie wünsche sich eine Rückkehr von Peter Pilz, aber gehen solle jemand anderer, nicht sie. Namen nannte sie keine, allerdings betonte Bißmann, dass der Klub mit Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Stephanie Cox, Alma Zadic und ihr über vier junge Frauen mit Visionen verfüge. Die „älteren Männer in der Fraktion“ dagegen würden in Pension gehen und bei der nächsten Nationalratswahl ohnehin nicht mehr kandidieren.
Rossmann und Zinggl wollten nicht ausschließen, dass Bißmann aus dem Klub ausgeschlossen wird, auch wenn es derzeit keinen Antrag gebe. Man werde zunächst das Gespräch mit ihr suchen, wiewohl es laut Zinggl schon eine gewisse Skepsis gebe. Bißmanns Verhalten sei nicht eben vertrauensbildend gewesen: „Es ist schwierig, wenn jemand ungeniert und sehr einseitig Verhandlungswege verlautbart.“ Bißmann glaubt dennoch, dass sich der Streit beilegen lässt: „Auf jeden Fall.“ Das sei Politik, man müsse vernünftig sein und die Verantwortung den Wählern gegenüber wahrnehmen.
Rossmann wird sich als Klubobmann künftig um strategische Fragen und den Außenauftritt kümmern, Zinggl als geschäftsführender Klubchef um interne Angelegenheiten. Im Laufe der Legislaturperiode soll es jedoch einen weiteren Wechsel geben. „Die Zukunft gehört den Frauen“, meinte Rossmann. Zumindest eine solle dann an die Spitze nachrücken – selbst dann, wenn Peter Pilz wieder im Nationalrat sei. „In den nächsten Monaten werden wir die Frauen im Klub protegieren, aufbauen und fördern.“
Zwei Klubchefs – zwei Klubchefgehälter
Ob der Klub nun beiden Chefs ein Gehalt von rund 15.000 Euro im Monat bezahle? Das werde erst besprochen, sagte Zinggl. Auf jeden Fall bedeute die Funktion eine „deutliche Mehrarbeit“ – und die werde entlohnt.
Bei den Wählern der Liste Pilz entschuldigte er sich: „Wir haben es uns auch leichter vorgestellt.“ Seine Aufgabe sei es ab sofort, den Klub „in ruhigere Fahrwasser“ zu führen, die Zeit der „Knallkörper und Rauchbomben“ sei vorbei. Angesichts dessen, was einige Stunden später passieren sollte, war das vielleicht eine Spur zu optimistisch.
WIE GEHT'S WEITER? DIE SZENARIEN
Eins: Durch den Rückzug von Peter Kolba wird ein Nationalratsmandat in Niederösterreich frei. Anspruch darauf hat die Lehrerin Maria Stern, die auf Platz zwei der Landesliste kandidiert hat. Verzichtet sie, könnte Alfred Noll, Drittgereihter hinter Kolba und Stern, übernehmen. Damit würde Nolls Bundeslistenmandat für Peter Pilz frei.
Zwei: Martha Bißmann überlässt Peter Pilz ihr Steiermark-Mandat. Doch das ist äußerst unwahrscheinlich bis ausgeschlossen.
Drei: Maria Stern verzichtet nicht, Martha Bißmann bleibt hart – und Peter Pilz muss weiter zuschauen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2018)