Gruppenpraxen: Das Ende einer Idee

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WartezimmerClemens Fabry
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Das Primärversorgungszentrum in der Donaustadt dürfte trotz Interventionen nicht überleben und das Aus für weitere Einrichtungen bedeuten. Womit die Verantwortlichen in der Gesundheitspolitik bei null beginnen müssten.

Nach Bekanntwerden der existenzbedrohenden Probleme des Primärversorgungszentrums (PHC) in der Donaustadt durch einen Bericht der „Presse“ ließ die Wiener Ärztekammer am Freitag über den Sprecher ausrichten, „dass wir im konkreten Fall schon seit rund einem halben Jahr Hilfe anbieten, indem wir versuchen, entsprechend zu vermitteln, ohne Partei für eine Seite zu ergreifen“. Allerdings dürften die Fronten diesmal sehr verhärtet sein, denn: „Die Erfahrung der Wiener Ärztekammer ist generell, dass wenn Ärztinnen und Ärzte trotz vielfacher Aussprachen und Versuche eines ,Wiederzueinanderfindens‘ nicht gut miteinander können, es auch für die Patienten besser ist, sie gehen getrennte Wege.“

Kasse und Stadt wollen helfen

Um das jahrelang angekündigte und mehrfach verschobene Prestigeprojekt der Stadt vor dem endgültigen Aus zu retten, kündigte am Freitag auch die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) Gespräche mit den drei leitenden Ärztinnen des Zentrums an. Man sei schon im Kontakt mit ihnen, teilte eine Sprecherin mit.

„Die gute Zusammenarbeit innerhalb von Vertragsgruppenpraxen ist der Wiener Gebietskrankenkasse generell ein großes Anliegen. Natürlich ist der WGKK viel daran gelegen, dass die Gruppenpraxis PHC Donaustadt weiterhin tätig ist und die Zusammenarbeit gut funktioniert“, sagt die Sprecherin. „Sofern seitens der WGKK ein Beitrag geleistet werden kann, hier eine bessere Zusammenarbeit zu fördern, wird sie dies mit Sicherheit umsetzen.“

Rettungsversuche gibt es seit Freitag zudem seitens der Stadtregierung. Der neue Gesundheitsstadtrat, Peter Hacker (SPÖ), habe den Bereichsleiter des Gesundheitswesens der Stadt, Richard Gaus, und den Verwaltungsdirektor des Donauspitals, Gerhard Rudy, beauftragt, „umgehend ein Gespräch mit der Leitung des PHC-Donaustadt zu führen, um eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen dem PHC und dem Donauspital bzw. der Stadt Wien sicher zu stellen“. Das Gespräch soll „so rasch wie möglich stattfinden mit anschließendem Bericht an den Stadtrat“. Die Stadt hatte die Gruppenpraxis in unmittelbarere Nähe zum Donauspital bei ihrer Eröffnung vor einem knappen Jahr unter anderem als „Leuchtturmprojekt“ bezeichnet, „um wohnortnah den niedergelassenen Bereich zukunftsfit zu machen“. Weiterhin keine Stellungnahme gibt es trotz mehrmaliger Nachfrage vom Gesundheitsministerium. Dort hatte man schon zuvor mitgeteilt, nichts von den „vermeintlichen Diskrepanzen“ zu wissen.

75 geplante Standorte in Gefahr

Wie „Die Presse“ am Freitag berichtete, ist das Patientenaufkommen in der Gruppenpraxis viel niedriger als erwartet, was zu heftigen Streitereien unter den praktischen Ärztinnen inklusive Klagsdrohungen führte. Die Hoffnungen, die Patienten würden anstelle der Spitalsambulanzen das nahe gelegene Primärversorgungszentrum aufsuchen, erfüllten sich nicht. Das PHC, nach Wien-Mariahilf und Enns in Oberösterreich landesweit das dritte Zentrum, hat das ganze Jahr über 50 Stunden pro Woche geöffnet. Urlaubssperren gibt es nicht. Als besonderen Schwerpunkt betreuen die Ärztinnen – zwei davon kommen aus der Notfallmedizin – chronisch Kranke, beispielsweise Diabetiker. In der Praxis sind zudem eine Psychotherapeutin, eine Diätologin und eine diplomierte Krankenschwester beschäftigt.

Sollte die erste derartige Einrichtung Wiens, die nicht – wie bei dem Zentrum in Mariahilf, das seit Jahren ausgezeichnet funktioniert – aus einer klassischen Gruppenpraxis heraus, sondern nach Arztsuche per Ausschreibung (die zweimal wiederholt werden musste, weil sich niemand meldete) entstanden ist, nicht funktionieren, könnte das zum Ende des Konzeptes von Primärversorgungszentren führen. Denn eigentlich sind bis 2021 landesweit 75 weitere Standorte geplant, die mit deutlich längeren Öffnungszeiten die überfüllten Spitalsambulanzen entlasten und die Wartezeiten – sowohl in den Ambulanzen, als auch im niedergelassenen Bereich – verkürzen sollen.

Kein Plan B für überfüllte Ambulanzen

In diesem, mittlerweile sehr wahrscheinlichen, Fall müsste man sich ganz neue Konzepte ausdenken, da sich sonst die Entwicklung der vergangenen Jahre mit langen Wartezeiten und dem Ausweichen Zehntausender Patienten in den Privatsektor nur noch verschärfen würde. Da aber praktisch sämtliche Hoffnungen auf die Primärversorgungszentren gesetzt wurden, würde man praktisch bei null beginnen. Einen Plan B hat weder die Stadt noch das Gesundheitsministerium in der Schublade, obwohl im Vorfeld mehrfach davor gewarnt wurde, dass solche Zentren weder für Ärzte noch für Patienten besonders attraktiv sind. Für Erstere wegen der finanziellen Risken durch hohe Anfangsinvestitionen; für Letztere, weil ein PHC zum einen nicht die Kontinuität eines (vertrauten) Hausarztes aufweist und zum anderen über keine vergleichbare technische Ausstattung einer spezialisierten Spitalsambulanz verfügt.

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