Digitale Bezahlsysteme

Wie wir morgen bezahlen werden

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. . . und was das für die Mitarbeiter im Handel bedeutet. Letztendlich wird das Handy Kundenkarten und Brieftasche ersetzen. Und die meisten Kassenkräfte.

Es tut sich etwas im Einzelhandel. Konkret an der Kassa: Das kontaktlose Bezahlen mit Karte (bis 25 Euro ohne PIN) wird ausgerechnet von den sonst so risikoscheuen Österreichern freudigst angenommen – deutlich freudiger als von unseren deutschen Nachbarn.

Viele Einzelhandelsketten haben zusätzlich auch schon personalfreie Expresskassen in Betrieb. Diese leiden zwar noch an Kinderkrankheiten und verweigern etwa den Dienst, wenn Kunden ihre Tasche auf der falschen Seite des Terminals abstellen. Doch Kunden sind lernfähig: Wenn ihnen Self-Scanning Zeit spart, lassen sie sich gern erziehen.

Das Ende der digitalen Fahnenstange ist das noch lang nicht. Das große Ziel ist, den Bezahlvorgang derart kommod zu gestalten, dass er das Einkaufserlebnis kaum mehr stört. Für ein angenehmes Ende der Kundenreise gibt es derzeit drei digitale Denkrichtungen.

Initative geht vom Händler aus

Händlerspezifische Apps. Im Supermarkt scannt der Kunde mit dem Smartphone seine Bananen ein, drückt auf „Bezahlen“ und geht einfach. In der App ist seine Kreditkarte hinterlegt, von dort wird der Betrag abgebucht.

Eine Variante sind digitale Preisschilder, die zusätzlich Produktinfos bieten oder an Kleidung angebrachte Sicherheitsmarken deaktivieren. Vorteil für den Kunden: kein Anstehen an der Kassa. Nachteil: Jeder Händler gibt seine eigene App aus, die der Kunde herunterladen, mit seiner Kreditkarte verknüpfen und verwalten muss. Kassakräfte sind jedenfalls obsolet.

Menschliche Verkaufsberater mit Bezahlkompetenz. Im Modehaus seines Vertrauens wird der Kunde wie bisher beraten. Danach wird er jedoch nicht mit der Ware zur Kassa geschickt, sondern die Beraterin scannt die Artikel mit ihrem Smartphone ein, tippt eine Kundennummer dazu und lässt den Kunden nur mehr bestätigen.

Kauft dieser etwa im Elektrohandel einen Großbildfernseher und wünscht Ratenzahlung, füllt er nicht mehr im Hinterzimmer einen papierenen Kreditantrag aus. Sein Berater checkt via Handy die Kreditwürdigkeit, genehmigt den Ratenantrag und fragt nur mehr, ob der Kunde das Gerät mitnehmen oder sich zustellen lassen will. Vorteil: Wieder kein Anstellen an der Kassa, der ungeliebte Akt des Bezahlens rückt im Beratungsgespräch in den Hintergrund. Nachteil: In beiden Fällen benötigt der Kunde eine Kundennummer, die wieder mit seiner Kreditkarte unterlegt ist. In diesem Modell verschmelzen Berater- und Kassierfunktion in einer Person. Sie ist zwar fachlich aufgewertet, dafür verlieren die reinen Kassenkräfte wieder ihren Job.

...hier vom Kunden

► Bisher ist die Initiative vom Händler ausgegangen, der seinen Kunden Kundennummer, -App oder -karte schmackhaft macht. Der Konsument kann den Spieß auch umdrehen: mit einer One-for-all-App (etwa Boon von Wirecard, die über Umwege sogar Apple Pay zulässt). In der App markiert er seine Lieblingsgeschäfte, hinterlegt seine Daten einmal für alle und kauft fortan ohne Geldbörse ein.

Die chinesische Alibaba-Gruppe treibt das mit ihrem Onlinebezahlsystem, Alipay, auf die Spitze: Es zieht seine Kunden mehr und mehr in das gruppeneigene Universum hinein. Die App organisiert deren Leben, Einkäufe, Online-Banking, Taxibestellungen, Reisebuchungen bis zu Angeboten für Versicherungen, die laufende Verträge übertrumpfen. Auch im Ausland schickt sie ihre User gezielt zu Alipay-Händlern. Faustregel für heimische Marken (allen voran Swarovski): Wer Alipay anbietet, verdoppelt seine Umsätze mit chinesischen Touristen im Schnitt in nur drei Monaten.

Ein solches Universalsystem ist für die Konsumenten zwar überaus praktisch, hat aber einen hohen Preis: Sie legen alle persönlichen sowie alle Konsum- und Bankdaten in eine Hand. In China regt das nicht weiter auf, in Europa ist es (noch) undenkbar.

Für die Angestellten im Handel ergeben sich zwei Konsequenzen: Kundenberater können ihren Job mit Digital- und Mobilkompetenzen bereichern. Kassenkräfte hingegen sollten besser umsatteln, so wie auch Bankomat-Experten. Auch deren Tage sind im Handyzeitalter gezählt.

LEXIKON

Mobile Payment. Die Anbieter unterscheiden sich im grundlegenden Ansatz. Full-Service-Provider Wirecard etwa hat mit 130 Zahlungsarten Ursprung und Domäne im E-Commerce und komplettiert nun mit dem stationären Vertrieb. Bei Mitbewerber ConCardis lief die Entwicklung genau umgekehrt. Andere Anbieter wie mPAY24, First Data, Klarna, PayUnity oder Viveum sind auf ihre Nischen spezialisiert. Je nach Kunde konkurrieren oder kooperieren alle untereinander. Quelle: WKO.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2018)

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