"Sie sind einfach herzlos": Thomas Bernhards Briefwechsel mit seiner Lektorin

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„Meine ganze Natur ist ja eine drängende, hetzende, aber trotzdem: Da sitze ich mit dem Manuskript u. werde nicht fertig– nicht im Mai!“ Thomas Bernhard 1966 im Briefwechsel mit seiner Lektorin Anneliese Botond – eine Erstveröffentlichung.

Von „Frost“ bis „Kalkwerk“, die zwischen 1963 und 1970 erschienenen Bücher von Thomas Bernhard lektorierte Anneliese Botond (1922–2006) im Insel/Suhrkamp Verlag. Ihre Briefe an ihn und die überlieferten Gegenbriefe zeigen, dass beim Umgang mit dem Autor Entschiedenheit in Textfragen und enzyklopädische Belesenheit nicht hinreichten. Gefragt war die Fähigkeit, die Unsicherheit des „Schützlings“ produktiv zu machen, gleichzeitig Ablehnung jeglicher Kooperation zu überwinden. Das gemeinsame Unternehmen erwies sich als erfolgreich. An den Verleger Siegfried Unseld schrieb Bernhard: „Meine Lektorin A. B. ist der Pfahl, an den ich Schaf mich gern, meine ganze Schriftstellerei, anbinde.“ Anneliese Botond verblieb im Schatten, Angaben zur Personen waren geprägt durch äußerste Zurückhaltung, weshalb sich nicht klären ließ, warum nur wenige Briefe von Bernhard sich erhalten haben. Mit der erstmaligen Publikation der von ihm aufbewahrten Briefe kommt jetzt eine neue Stimme zu ihrem Recht.

Auslöser des hier abgedruckten Bernhard-Briefes sind Verzögerungen bei der Fertigstellung von „Verstörung“. Da Form und Qualität des zweiten (auf „Frost“ folgenden) Romans von Verlags- wie Autorenseite als ausschlaggebend für die Laufbahn des Schriftstellers gelten, waren alle Wechselfälle der Niederschrift von Belang. Am 15. März 1967 erschien „Verstörung“.

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