Anna Netrebko schwebt und betet in Schönbrunn

Umarmungen für ein Publikum auf der ganzen Welt: Netrebko sang zum ersten Mal im Schlosspark.
Umarmungen für ein Publikum auf der ganzen Welt: Netrebko sang zum ersten Mal im Schlosspark. (c) REUTERS (Lisi Niesner)
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Sommernachtskonzert. Nicht nur wegen Netrebko – das Konzert der Philharmoniker fiel so populär aus wie noch nie.

Alkohol ist streng verboten, das Aufputschen besorgt hier die Musik: 104.500 Zuschauer, darunter viele Touristen, hörten am Donnerstagabend das Sommernachtskonzert der Wiener Philharmoniker an, an einem prachtvollen Sommerabend, wie er diesem Konzert in den vergangenen Jahren kaum je vergönnt war. Das Wetter trug wohl zum Besucherrekord bei – neben dem Namen Anna Netrebko natürlich. Sie trat heuer zum ersten Mal im Schönbrunner Schlosspark auf, mit Dirigent Valery Gergiev, unter dem sie am Mariinski-Theater in Sankt Petersburg einst ihre Karriere startete.

Makellos wie gewohnt, wenn auch fast pianofrei, kostete sie die reinen, fülligen Höhen ihrer Stimme aus, dreimal wechselte sie dazwischen ihr Kleid. Adriana Lecouvreur, als die sie kürzlich an der Staatsoper bejubelt wurde, sang sie in Hellrosa wie schon auf dem Roten Platz in Moskau, die betend trauernde Tosca in Schwarz. Den freien Vogelflug, das „Zwitschern in der Höh'“ („Bajazzo“), besang sie im hellgrünen Blumenkleid. So viel Inszenierung muss sein. Zur Sommernachtsshow gehörte auch größere (US-Schauspielerin Charlize Theron) und kleinere Prominenz (österreichische Politiker); allerdings anders als gewohnt diesmal weder Bundeskanzler noch Bundespräsident.

Weniger ein Kunstereignis als ein musiktouristisches Gesamtkunstwerk ist das 2004 gestartete, in fast 90 Länder übertragene Freiluftkonzert. Populär soll es sein, das Programm diente diesem Ziel heuer besonders. Keine raren Rachmaninow-Lieder, wie sie Renée Fleming vergangenes Jahr sang, kein Ausflug ins 20. Jahrhundert wie vor zwei Jahren mit Poulencs Konzert für zwei Klaviere. Stattdessen südliche Wärme auch musikalisch, italienische Opernschlagerseligkeit: Arien, Ouvertüren, Intermezzi von Rossini, Puccini, Verdi, Mascagni, Leoncavallo, dazu die Italien-Träume zweier Russen (der Neapolitanische Tanz aus Tschaikowskys „Schwanensee“ und die Suite Nr. 2 aus Prokofieffs „Romeo und Julia“) sowie eines Altösterreichers (Julius Fučíks „Florentiner Marsch“); zu guter Letzt wieder die obligatorische Landung in Wien – mit dem Walzer „Wiener Blut“, den Zugaben.

Wie zwei verschränkte Konzerte

Gergiev trieb Musiker und Zuhörer durch eine perfekte Dramaturgie musikalischer Stimmungen: mitreißend und leichtfüßig mit Rossinis „Wilhelm Tell“-Ouvertüre, gleich danach schicksalsschwer mit Verdis „Forze del destino“, umso ergreifender Versöhnung verkündend mit dem zart-zerbrechlichen Ostermorgenidyll des „Cavalleria Rusticana“-Intermezzos – es klang auch diesem Sommerabend auf den Leib komponiert. Wie dem Dirigenten Prokofieffs peitschende, grollende, dunklen Zauber verströmende Ballettmusik. Netrebkos Arien wirkten da trotz der italienischen Klammer ein wenig wie ein eigenes, eher willkürlich hineinverschränktes Konzert. Dennoch – zum Dahinschmelzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2018)

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