"Wir feierten das schönste Fest": Wie aus Wut und Trauer Mut wurde

Am Ende der Eröffnungsshow sagten Conchita und Herbert Föttinger Ja. Als Bischof fungierte Jonas Kaufmann.
Am Ende der Eröffnungsshow sagten Conchita und Herbert Föttinger Ja. Als Bischof fungierte Jonas Kaufmann.(c) APA/AFP/ALEX HALADA
  • Drucken

Mit Lederhosen, Dirndln, nachdenklichen Rückblicken und einer atemberaubenden Show ging am Samstag der 25. Life Ball über die Bühne.

Er hört sich gern reden, der Life-Ball-Organisator Gery Keszler. Dass er dabei seit Jahren immer das Gleiche sagt und ein wenig wehleidig und vorwurfsvoll klingt, dürfte einer der Gründe sein, warum der Ball zuletzt an Strahlkraft verloren hat und so mancher Sponsor abgesprungen ist. Sein Selbstbewusstsein hat darunter aber nicht gelitten. Stellte er doch am Ende seiner – ersten – Rede während der Eröffnungsshow die Frage in den Raum, ob es das weltoffene Wien auch ohne den Life Ball geben würde.

Eine Drohung dürfte das nicht gewesen sein. Denn gleich zu Beginn sagte er, dass die größte Charity-Veranstaltung Europas weiterhin stattfinden wird. Aber wie er das sagte, verdeutlichte einmal mehr, wie gern er kokettiert. Man habe viel erreicht und könne damit eigentlich zufrieden sein, betonte der 54-Jährige, der sich vor drei Jahren als HIV-positiv outete – und deutete damit ein Ende des Balls an, womit im Vorfeld mehrfach spekuliert wurde. Um dann nach einer künstlichen Pause von einigen Sekunden fortzufahren, dass man noch nicht am Ende sei. Damit war klar, dass an diesem Abend keine Bombe platzen würde.

Trittbrettfahrer und Außenseiter

Bei seiner zweiten Rede, am Ende der Eröffnung, bat er sein Team der letzten 25 Jahre auf die Bühne, nicht ohne die vielen „Trittbrettfahrer“ des Life Balls zu beklagen. „Aber“, so Keszler, „die heute anwesenden liebe ich wirklich.“ Zuvor erinnerte er an den ersten Ball 1993, als Aids einem Todesurteil gleichkam. „Wir haben bemerkt, rund um uns passiert etwas, Menschen sterben“, sagte er. Doch statt zu resignieren, habe man seine Stimme erhoben. „Wir waren nicht mehr still, wir waren nicht mehr traurig. Wir haben die Trauer in Power verwandelt, die Wut in Mut. Wir waren Außenseiter, aber auf dieser Außenseite haben wir das schönste Fest gefeiert.“

Zwischen diesen beiden Reden gab es eine Show, die mit zweieinhalb Stunden zwar zu lang, aber derart aufwendig und mit Liebe zum Detail inszeniert war, dass einem Hören und Sehen verging. Als Bühne fungierte ein überdimensionales Almwiesen-Puzzle mit österreichischen Stereotypen wie Edelweiß, Trachtenpärchen, Gämsen und einer Zeichnung der Festung Hohensalzburg. Die Debütanten zogen als fracktragende Skelette und Gruselnonnen über den Rathausplatz ein. Den Auftakt zur Show setzte dann Conchita: Ein Kästchen des Puzzles öffnete sich und die Sängerin intonierte den Titelsong „A Sound of Music“.

Danach löste sich das Puzzle auf und machte der üppigen Kirchenbühne Platz, in der die Moderatoren (Conchita und Herbert Föttinger als Kapitän Georg von Trapp) in ihren jeweiligen Rollen – nach einem hitzigen Disput über Diversität – letztlich doch heirateten. Als Bischof fungierte Startenor Jonas Kaufmann.

Paris Jackson übernahm Award

Wiens Ex-Bürgermeister Michael Häupl kam mit Nachfolger Michael Ludwig (beide SPÖ) auf die Bühne. „Wer sagt, dass es für mich vorbei ist? Künftig werde ich nicht mehr hier stehen, sondern da unten, unter euch“, meinte Häupl. Ludwig freute sich darüber, „die Stafette weiterzutragen“. Der Life+Award mit einer Spende von 150.000 Euro (von „M€A€C Cosmetics“ und „M€A€C AIDS Fund“) ging anschließend an die Elizabeth Taylor AIDS Foundation. Die Auszeichnung wurde von Michael Jacksons Tochter Paris Jackson als Vertreterin der Organisation entgegengenommen– Jackson gehörte zusammen mit Schauspieler Adrien Brody und Sängerin Patti LaBelle zu den Stargästen des Abends.

Bei der finalen Modeschau präsentierten jene Modehäuser, die in der Vergangenheit mitgewirkt haben, je eine Hochzeitskreation, darunter Jean Paul Gaultier, Alberta Ferretti, Missoni, Cavalli oder Westwood. Viele Besucher nahmen das Thema „Sound of Music“ zum Anlass, sich in zünftiger Tracht in mehr oder weniger schriller Ausführung zu kleiden. Und so feierten bis in die frühen Morgenstunden Dirndln und Lederhosen neben aufreizenden Spinnen, Seepferdchen, Badenixen, Männern in engen Badehosen und Männern ohne Hosen. Und erzeugten auf den Tanzflächen des Festsaals und im Arkadenhof eine Stimmung, die an die besten Tage des Life Balls erinnerte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

LIFE BALL 2013: BESUCHER
Österreich

Totgesagt und noch am Leben

Ist das wirklich das Ende des Life Ball oder kokette Drohung, um „gerettet“ zu werden? Ganz neu wäre das in Wien nicht.
ARCHIVBILD LIFE-BALL 98
Österreich

Laut, schrill, extravagant

Vom „schwulen Aufschrei“ zum Megaevent der späten 1990er- und 2000er-Jahre – das zuletzt neu erfunden werden sollte.
LIFE BALL 2018: KESZLER
Schaufenster

Gery Keszler verkündet das Aus für den Life Ball

Der Life Ball wird im Juni zum letzten Mal stattfinden, denn es fehle an Sponsoren. Der Reingewinn geht an Afrika-Projekte. Die Aidshilfe Wien verliert bis zu 200.000 Euro.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.