Scharfe Kritik an Putin-Besuch

MOSCOW RUSSIA JUNE 1 2018 Russia s President Vladimir Putin addresses a ceremony to present the
imago/ITAR-TASS
  • Drucken

Die Neos und Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Bundesregierung und werfen ihr anlässlich des Besuchs des russischen Präsidenten vor, die gemeinsame Linie Europas zu untergraben.

 Kurz vor dem Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin haben NEOS und Menschenrechtsorganisationen Kritik geübt. "Die Bundesregierung verstrickt sich wieder einmal in außenpolitische Widersprüche", betonte NEOS-Europasprecherin Claudia Gamon anlässlich der Forderung von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), die EU-Sanktionen gegen Russland aufzuheben.

"Sie macht sich dadurch nicht nur unglaubwürdig, sondern schwächt auch die gemeinsame europäische Außenpolitik." In Anbetracht des andauernden Konflikts in der Ost-Ukraine sei es aber auch jetzt unerlässlich, dass die EU mit einer gemeinsamen Stimme gegenüber Russland auftrete, erklärte Gamon in einer Aussendung: "Ja, im Dialog mit Russland zu bleiben, ist wichtig. Trotzdem darf die andauernde Völkerrechtsverletzung von Russland auf der Krim nicht einfach hingenommen werden."

Zwei Menschenrechtsorganisationen - das Forum für Religionsfreiheit-Europa (FOREF, mit Sitz in Wien) und Human Rights Without Frontiers (Sitz in Brüssel) - kritisierten die Einschränkungen in Russland bei Grundrechten und Freiheiten: "Es gibt praktisch keine Meinungsfreiheit in den Medien - zugleich ist die Bevölkerung der vom Staat gelenkten Propaganda ausgesetzt; zahlreiche unabhängige Journalisten wurden ermordet." Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen befinde sich Russland auf Platz 148 zwischen Mexiko und Tadschikistan, hieß es in einer Aussendung am Montag.

"Russland bildet die Vorhut autoritär regierter Staaten, welche permanent gegen Religions- und Gewissensfreiheit verstoßen. Ohne Einhaltung dieser fundamentalen Menschenrechte ist Gleichheit vor dem Gesetz und Demokratie praktisch unmöglich," betont Aaron Rhodes, Präsident von FOREF und Ehrenbürger der Republik Österreich. "Österreich kann jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen ohne sich einer ungeheuren moralischen Scheinheiligkeit schuldig zu machen."

Willy Fautré, Präsident der Organisation Human Rights Without Frontiers, berichtet: "Zahlreiche Zeugen Jehovas sind mittlerweile eingesperrt worden, einige mehrere Monate lang." Die Behörden hätten 30 Polizeirazzien durchgeführt und 20 strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet. "Das ist ein beispielloser Angriff auf die Religionsfreiheit seitens eines Mitgliedes des Europarates, das wirtschaftliche und politische Kooperation mit Österreich und anderen europäischen Staaten anstrebt."

Offizieller Anlass für Putins ersten Besuch in einem EU-Land nach seiner Wiederwahl im März ist der 50. Jahrestag der am 1. Juni 1968 unterzeichneten Gaslieferverträge zwischen Österreich und der Sowjetunion. In Wien wird das russische Staatsoberhaupt am Nachmittag mit Präsident Alexander Van der Bellen und Kanzler Sebastian Kurz sprechen.

Dabei soll es vor allem um die Beziehungen der beiden Länder sowie die wirtschaftliche Zusammenarbeit gehen. Die in Österreich mit der konservativen ÖVP regierende FPÖ fordert schon lange eine Aufhebung der Russland-Sanktionen. Zudem ist die Unterzeichnung von mehreren Absichtserklärungen geplant. Zu erwarten ist, dass auch das umstrittene Pipeline-Projekt Nord Stream 2 angesprochen wird.

800 Polizisten im Einsatz

Wien steht heute ganz im Zeichen des Staatsbesuchs: 800 Polizisten sind im Einsatz. Im gesamten innerstädtischen Bereich wird es zu Verkehrsbehinderungen kommen, die Exekutive rät, diesen Bereich ab ca. 17.30 Uhr großräumig zu meiden. Es wird insgesamt drei Platzverbote geben. Zwei Demonstrationen sind bisher bei der Polizei angemeldet worden.

Ab 11.30 Uhr wird die Hofburg, ein Teil des Heldenplatzes, der Ballhausplatz und das Bundeskanzleramt gesperrt. Um 13.30 soll Putin im Inneren Burghof von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit militärischen Ehren empfangen werden. Danach ist ein Treffen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sowie auch eine Zusammenkunft mit Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) vorgesehen.

Ab 16.00 Uhr ist der gesamte Schwarzenbergplatz gesperrt, hier soll Putin gegen 18.00 Uhr eintreffen. Vorgesehen ist eine Kranzniederlegung vor dem Denkmal der Roten Armee. Begrüßt wird er von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ).

Das dritte Platzverbot tritt um 17.30 Uhr auf dem Maria-Theresien-Platz vor dem Kunsthistorischem Museum in Kraft. Putin wird dort am Abend gemeinsam mit Van der Bellen die Ausstellung "Die Eremitage zu Gast. Meisterwerke von Botticelli bis van Dyck" im KHM eröffnen.

Umfangreiches Sicherheitskonzept

Die Polizei hat ein umfangreiches Sicherheitskonzept erarbeitet. Viele der Maßnahmen werden auch im Hintergrund ablaufen, hieß es in einer Aussendung. Während des gesamten Besuchs werden diverse Spezialkräfte wie Wega, Cobra oder auch die Polizeidiensthundeeinheit im Einsatz sein. Die Sicherheitsvorkehrungen umfassen neben dem Personenschutz auch Begleitung des Konvois sowie Absperrung und Absicherung der Platzverbote. Der ÖAMTC riet Autofahrern dazu, Ring, Zweierlinie und einfallenden Straßen zu meiden.

Eine Demonstration gegen Putin mit 50 bis 100 Personen wurde bei der Polizei angemeldet, dazu kommt eine Pro-Demo mit dem Titel "Freundschaft mit Russland", daran sollen laut Veranstalter 15 Personen teilnehmen. Wo die beiden Standkundgebungen abgehalten werden, wird "erst heute mit den Veranstaltern besprochen", sagte Polizeisprecherin Irina Steirer.

(APA)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.