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Und doch ist es der schönste Job der Welt

Blog "fach-kräftig", Folge 20. In diesem Blog nähert sich wöchentlich eine Top-Führungskraft dem Thema Fachkräfte aus der Perspektive ihrer Branche und ihres Unternehmens. Diese Woche: Claudia Fessl, Rauhofer Elektrotechnik.

Wenn man so manchen Bericht über die Startbedingungen für junge Menschen liest, hat man das Gefühl, nur Unternehmen machen alles falsch. Die Jugendlichen an sich sind alle in Ordnung und wenn wir Unternehmen sie nicht aufnehmen, liegt das ausschließlich an unseren überzogenen Erwartungen. Und trotzdem ist Ausbildung der schönste Job der Welt.

Max, Kevin und Daniel sind am zweiten Tag gar nicht mehr auf der Baustelle erschienen, um ihr Schnupperpraktikum durchzuziehen, Gabriel hat es nicht mal bis zur ersten Frühstückspause geschafft durchzuhalten. Während ich mir die letzten Tests der verbleibenden Kandidaten so durchschaue bin ich mir – wie jedes Jahr um diese Zeit – nicht ganz sicher, ob mein Job einen Sinn hat. Addieren schaffen fast alle, subtrahieren geht holprig, dividiere quasi gar nicht, auch wenn sich die Rechnungen immer auf 0 Rest ausgehen. 2/3 von 100 sind meist 16, manchmal auch ein bisserl mehr. Aber – ich fühle ein kleines Bisschen Glück in mir – der Stephansdom steht immer in Wien.

Und dann habe ich noch vor mir die Unterlagen von Marie, einem Mädel aus Weißrussland, Furkan, einem 21-jährigen Schulabbrecher, und Marvoosi, einem Flüchtlingskind aus Afghanistan. Marie schreibt, sie möchte so viel wie möglich über die Elektrotechnik lernen. Und die Chance, in einem technischen Beruf eine Karriere zu starten. Sie beschreibt sich als teamfähig, verlässlich und interessiert – das haben auch meine Monteure auf der Baustelle über Marie gesagt.

Furkan betont die angenehme Atmosphäre auf der Baustelle (ich bin ganz hin und weg dass er das Wort richtig geschrieben hat) und freut sich, dass er mit seinen Händen arbeiten durfte. Er wusste bis dahin nicht das es Unternehmen gibt, die Schutzbrillen, Gehörschutz, Handschuhe und Helme verteilen und er findet dass das einfach nur super, dass wir uns um unsere Mitarbeiter so kümmern.

Marvoosi überrascht mich wieder mit seinem Deutsch – das ist mir sofort beim Vorstellungstermin aufgefallen - der junge Mann ist gerade mal seit Dezember 2016 in Österreich. Er möchte einen Beruf mit Zukunft lernen, etwas, worauf er aufbauen kann, er möchte einen sicheren Arbeitsplatz und viel Wissen inhalieren (ja, so steht das da). Sein Vater war ein Handwerker und er möchte dieses Erbe mitnehmen und etwas daraus machen.  

Ich spüre, wie mein Herz klopft. Ja, ja ich hab den richtigen Job, den besten Job der Welt! Wie jedes Jahr macht sich eine Freude in mir breit, ich hab sie gefunden! Meine drei Schützlinge, mit denen ich und mein Team die nächsten Jahre arbeiten werden, für die ich mich einsetzen werde, mit denen ich auch manchmal ein ernstes Wort reden werden muss. Über deren Noten ich mich manchmal ärgern, aber sehr oft freuen kann, deren Fortschritt wir ein wenig dokumentieren werden. Die drei denen wir vor allem helfen werden, fit für die Zukunft zu sein.

Und jetzt muss ich hier aufhören zu schreiben, denn ich muss sie sofort anrufen und ihnen sagen, dass wir uns auf sie freuen und auf sie zählen – Marie, Furkan und Marvoosi!

Claudia Fessl ist Ausbilderin aus Leidenschaft bei Rauhofer Elektrotechnik.
Claudia Fessl ist Ausbilderin aus Leidenschaft bei Rauhofer Elektrotechnik.Rauhofer Elektrotechnik

Die Autorin: Claudia Fessl ist Ausbilderin aus Leidenschaft bei Rauhofer Elektrotechnik.

Robert Frasch
Robert Frasch

Dieser Blog entsteht gemeinsam mit Robert Frasch, Österreichs Experten für duale Ausbildung. Der Gründer des Ausbildernetzwerks lehrlingspower.at und Herausgeber des Fachportals ausbilden.co.at sorgt mit vielen Projekten für die Steigerung der Qualität in der Ausbildung. Als Key Note Speaker gibt er der Lehre national und international eine professionelle Stimme und macht deren Herausforderungen und Leistungen sichtbar. Mehr über Robert Frasch finden Sie im Internet unter www.robertfrasch.com

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