Italien: Applaus für den Spagat des Bürger-Premiers Conte

Premier Conte will es allen recht machen.
Premier Conte will es allen recht machen.(c) REUTERS (REMO CASILLI)
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Der neue Regierungschef präsentierte im Senat das Regierungsprogramm, verteidigte den „Populismus“ und sprach sich für ein Ende der Russland-Sanktionen aus. Zugleich gab sich der Jurist betont moderat und prowestlich.

Rom. Sein mit Spannung erwartetes Debüt hat der „Professore“ am Dienstag gemeistert. Als Italiens frischgebackener Premier verteidigte Giuseppe Conte leidenschaftlich das Programm seiner radikalen Regierung – und versuchte dabei zugleich, betont moderat zu wirken, um auch Skeptikern zu gefallen. Von den Senatoren, die am Abend mehrheitlich der populistischen Grillini-Lega-Koalition das Vertrauen aussprachen, erntete der Jurist jedenfalls viel Applaus für den gelungenen Spagat.

Conte würdigte den Staatspräsidenten, sagte Mafiosi den Kampf an, bedauerte den Mord an einem Migranten. Und gleich zu Beginn präsentierte sich der 53-Jährige geschickt als „normaler Italiener“, der den frischen Wind des Wandels in die muffigen römischen Palazzi bringt: „Wie ihr alle wisst, habe ich keine politische Erfahrung. Ich bin nur ein einfacher Bürger, der sich mit viel Demut bereit erklärt hat, diese Verantwortung zu übernehmen.“ Auch die Radikalität der Regierungsparteien sei eine Kraft des Wandels: „Wenn Populismus bedeutet, dass die Regierung auf seine Bürger hören muss und wenn es als anti-systemisch gilt, das System alter Privilegien und verkrusteter Macht zu ändern – dann verdienen diese politischen Kräfte wirklich diese Bezeichnung.“ Wiederholt machte der Premier dabei klar, wie proeuropäisch die Regierung in Wirklichkeit sei.

Bevor er zum Programm überging, bedankte sich Conte noch schnell bei seinem eigentlichen Chef, bei Fünf-Sterne-Anführer Luigi Di Maio, der ihn auf den Premierposten gesetzt hatte. Auch den zweiten starken Mann dieser Regierung würdigte Conte geschickt. Lange Minuten widmete er der Migrationspolitik von Lega-Chef und Neo-Innenminister Matteo Salvini. Die zentralen Punkte übersetzte er in gemäßigte Worte: Man werde das Schlepperbusiness beenden, sein Kabinett werde sich um eine schnellere Prüfung der Asylanträge bemühen und Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung ausweisen. Legale Formen der Einwanderung sollen aber gefördert werden: „Wir sind keine Rassisten.“

Conte beklagte, dass Italien allein die Lasten der Migrationswelle über das Mittelmeer trage, kritisierte die egoistische Abschottung vieler EU-Staaten und pocht auf eine radikale Revision des Dubliner-Vertrages. Diese lautstarke Forderung der Lega war in Brüssel übrigens auch von den Mitte-links-Vorgängerregierungen gestellt worden.

Besonders deutlich wurde der Conte-Spagat bei der Skizzierung der neuen außenpolitischen Ausrichtung der Regierung: Italien sei Nato-Mitglied und die USA „privilegierter Alliierter“. Aber auch: Man sei für eine Öffnung in Richtung Moskau und ein Ende der „entwürdigenden“ EU-Sanktionen.

Flat-Tax wird verschoben

Vorsichtig berührte der Premier den heiklen Punkt Wirtschaftspolitik: Diese „Regierung des Wandels“ werde das Budgetdefizit senken – allerdings nicht mit Austerity-Programmen, sondern durch Wachstum. Dafür werde man sich in Brüssel stark machen. Aus dem Euro werde man nicht austreten.

Wie Conte dieses Wunder angesichts hoher Schulden und lahmender Wirtschaft realisieren will, bleibt unklar. Einige Gedanken dürften sich die beiden Parteien darüber aber gemacht haben. Bereits jetzt, nach nur wenigen Stunden im Amt, zeichnen sich erste Abschwächungen des großzügigen Ausgabenprogramms ab: Die Flat-Tax für Familien etwa soll auf das Jahr 2020 verschoben worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2018)

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