Ein positiver und gleichzeitig unglaublich anstrengender Innovationswettbewerb

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Das Problem der Digitalisierung ist nicht die Technologie, sondern dass sich die Unternehmen adaptieren müssen, meint Frank Strecker, der bei der Deutschen Telekom für das weltweite Cloud-Geschäft verantwortlich ist.

AWS-Chef Andy Jassy nennt den Schritt in die Cloud „den größten Technologiewandel unserer Zeit“. Sehen Sie das auch so?

Wenn er damit meint, dass die Kunden auf die großen Plattformen gehen, um Innovation von dort zu beziehen, dann stimme ich ihm zu. Die Unternehmer stehen heute unter einem sehr großen Druck, weil sich die Geschäftsmodelle fundamental verändern. Es gibt mittlerweile zwei Welten, eine analoge und eine digitale – und beide bilden die Realität ab. Die IT entwickelt aber immer mehr Innovationen und es herrscht ein positiver und gleichzeitig unglaublich anstrengender Innovationswettbewerb. Befeuert durch die Plattformen, die immer neue Lösungen bieten. Das Problem der Digitalisierung ist nicht die Technologie, sondern dass sich die Unternehmen adaptieren müssen. Ich habe mich kürzlich mit einem Kunden aus der Energie-Branche unterhalten. Die wollen jetzt bessere Kundendienstleistungen anbieten. Die Technologie ist längst da, aber sie fragen, wie sie diese jetzt einsetzen können.

Laut einer Umfrage des deutschen Digitalverbands Bitkom von vergangenem Jahr haben 60 Prozent der Vorstände und Unternehmenschefs in Deutschland noch nie etwas von Plattformökonomie gehört. Österreichische Unternehmen wissen nicht, wo in der Cloud ihre Daten lagern. Ist das noch naiv oder schon fahrlässig?

Ich selbst bin ein Cloud-Veteran, beschäftige mich seit mehr als zehn Jahren damit. Und ich bewege mich jetzt in einem Kundenumfeld, das beim Thema Digitalisierung schon sehr weit ist. Innovation entsteht oft nicht in den klassischen IT-Abteilung. Innovation treiben jene Abteilungen, die die Schnittstelle zu den Kunden bilden. Wenn ich vor fünf Jahren zu einem klassischen deutschen Unternehmer gegangen bin, dann hat der mir gesagt: Geh weg mit deiner Cloud, das ist gefährlich! Die Cloud war damals böse. Heute fragen mich dieselben Unternehmer, wie sie sie für ihr Unternehmen nützen können. Fernab vom Startup, Cloud Computing ist inzwischen kein experimentelles Randthema mehr. Das, was in der IT-Branche insgesamt derzeit Wachstum bringt, das ist die Cloud. Solche Dienstleistungen wachsen gerade 25 Prozent im Jahr. Gleichwohl ist Datenschutz, also die Frage „Wo liegen meine Daten, wer hat Zugriff darauf?“, ein wesentliches Entscheidungskriterium, welche Cloud ich wie nutzen will.

Die Deutsche Telekom hat selber eine Cloud eingerichtet, die sie als europäische Alternative zu den amerikanischen Anbietern bewirbt. Der NSA-Skandal soll dazu beigetragen haben, stimmt das?

Ja. Das hat einen ganz einfachen Grund. Unsere Rechenzentren stehen in Deutschland und in Österreich, also in der EU. Und sie werden von „EU-Personal“ betrieben. Die praktischen und theoretischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten sind anders als in den USA. Alles, was in der Telekom-Cloud gespeichert wird, unterliegt der deutschen Rechtsprechung. In den USA kann die Regierung leichter auf Daten zugreifen. In Deutschland geht das nur mit Gerichtsbeschluss.

Für welche Bereiche ist so ein Sicherheitsnetz entscheidend?

Denken Sie an den öffentlichen Dienst, an Banken und Versicherungen. Die unterliegen ganz anderen Regularien im Umgang mit den Kundendaten. Das E-Health-Unternehmen teleclinic.com, das online ärztliche Konsultationen anbietet, nutzt unsere Cloud. Denn hier spielt die Datensicherheit natürlich eine ganz andere Rolle.

In der EU gilt seit Mai die neue Datenschutzverordnung (DSGVO). Es ist ein Versuch, den Umgang mit Kundendaten zu regeln. Warum hinkt die Politik beim digitalen Fortschritt immer hinterher? 

In der DSGVO werden die Gesetze zum Datenschutz in der EU vereinheitlicht. Man orientiert sich hier an Deutschland, das schon derzeit hohe Standards hat. Ich begrüße das. Ein Gesetz kann aber immer nur anhand des Status Quo gemacht werden. Als die bislang geltenden Richtlinien entwickelt wurden, gab es noch keine Cloud. Das muss man jetzt anpassen. Eine klare Gesetzgebung unterstützt auch die Unternehmen. Viele sagen, dass sie Big-Data-Anwendungen gerne umsetzen möchten, dass sie aber „compliant“ bleiben müssen und wollen. Das wird jetzt einfacher.

Sie haben die Telekom-Cloud 2016 gestartet, im vergangenen Jahr haben Sie im Cloud-Geschäft einen Umsatz von 1,75 Milliarden Euro gemacht. Anbieter wie AWS machen fünf Milliarden US-$ im Quartal. Sind die Amerikaner nicht uneinholbar weit vorne?

Wir sehen, dass die Kunden nicht nur auf eine Lösung setzen. Sie verwenden mehrere Anbieter, sie schaffen sich eine Multi-Cloud. Anders als zuvor, als der CIO ein klassisches Oracle-, SAP- oder HP-System gekauft hat und es dann fünf Jahre laufen ließ, sucht sich der Kunde heute für jedes Szenario den passenden Anbieter aus. Folglich wäre es für uns als Deutsche Telekom vermessen, auf 100 Prozent Marktanteil zu zielen. Vielmehr geht es in der Plattformökonomie sehr stark um Ökosysteme. Es gibt das Amazon-Ökosystem oder das von Microsoft. Wir haben uns für unsere eigene Cloud für OpenStack entschieden, sind aber grundsätzlich unabhängig von bestimmten Technologien. OpenStack ist zum Unterschied von den genannten proprietären Ökosystemen eine freie Architektur für Cloud Computing, die von der Community weiterentwickelt wird. Die Kunden selbst entwickeln hier wesentlich mit, das macht ein Ökosystem stark. Viele wissenschaftliche Institutionen setzen auf OpenStack-Lösungen, das CERN, die Europäische Organisation für Kernforschung, beispielsweise. Aber wenn der Kunde es wünscht, bekommt er bei uns zum Beispiel auch die Microsoft-Cloud. Wir sorgen dann dafür, dass die Multi-Cloud funktioniert.

Der Kunde bucht also für besonders hohen Datenschutz bei Ihnen, und holt sich die Innovation von wo anders?

Ich würde sagen: Wir bringen die Innovation zum Laufen. Denn als Telekom haben wir nicht nur verschiedene Clouds im Angebot, sondern die passende Service-Dienstleistung dazu – auch managed cloud service genannt. Wir managen die Innovationskraft, die die Cloud bietet, für unsere Kunden. Es gibt keine statische Situation mehr. Ein IT-System fünf Jahre nur zu warten, das liegt in der Vergangenheit. Die digitale Welt ist ständig im Fluss, entwickelt sich rasant weiter. Da kommen viele Unternehmen alleine nicht mit.

Herr Strecker, nutzen Sie die Cloud auch? Und wenn ja, wie viele?

Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Wenn wir davon ausgehen, dass alle Apps in einer Cloud laufen, dann viele. Ich habe eine dreistellige App-Zahl auf meinem Handy.

Zur Person:

Frank Strecker ist als Senior Vice President Gobal Cloud Computing & Big Data verantwortlich für das weltweite Cloud-Geschäft im Konzern Deutsche Telekom. Die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen im Auf- und Ausbau dieses strategischen Geschäftsfelds und der Integration aller Geschäftsbereiche der Telekom beim Thema Cloud Computing und Partner Sales.

Umsatz mit Cloud Computing weltweit in Milliarden US-$

2016 2017 2018 2019 2020
Cloud Business Process Services (BPaaS) 39.6 42.2 45.8 49.5 53.6
Cloud Application Infrastructure Services (PaaS) 9.0 11.4 14.2 17.3 20.8
Cloud Application Services (SaaS) 48.2 58.6 71.2 84.8 99.7
Cloud Management and Security Services 7.1 8.7 10.3 12.0 13.9
Cloud System Infrastructure Services (IaaS) 25.4 34.7 45.8 58.4 72.4
Cloud Advertising 90.3 104.5 118.5 133.6 151.1
Gesamtmarkt 219.6 260.2 305.8 355.6 411.4

Quelle: Gartner

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