Das vorletzte Jahr von Wolfgang Eder war das erfolgreichste in der Firmengeschichte. Umsatz und Gewinn stiegen stark. Das Kunststück will Eder in seiner Schlussrunde wiederholen.
Wien/Linz. So fällt das Abschiednehmen leichter: Nur einen Tag nachdem bekannt wurde, dass der langjährige Voest-Chef Wolfgang Eder im kommenden Sommer von der Konzernspitze abtreten würde, durfte der Manager die bisher beste Bilanz der Firmengeschichte präsentieren. Der Umsatz des Linzer Unternehmens stieg um 14,2 Prozent auf knapp 12,9 Milliarden Euro, der operative Gewinn um 43,3Prozent auf 1,2Milliarden Euro. Und auch die Österreich-Puristen dürfen zufrieden sein. Mit dem ersten voll automatischen Stahlwerk in Kapfenberg und der Forschungsanlage für grünen Wasserstoff in Linz hat das heimische Unternehmen zwei wichtige Impulse für den Standort gesetzt. 2000 neue Mitarbeiter hat die Voest im Vorjahr aufgenommen. Ein Drittel davon in Österreich.
Größtes Risiko ist die Politik
Schöne Zahlen, die der Vorstandsvorsitzende sichtlich genoss und nicht von Debatten über seinen Wechsel in den Aufsichtsrat gestört wissen wollte. „Diskussionen über mögliche Veränderungen haben noch ein Jahr Zeit“, bremste er. Für eine Abschiedspressekonferenz sei es zu früh.
Das starke Ergebnis verdankt der Konzern der guten Konjunktur in Europa, Asien und Nordamerika. Daran sollte sich auch heuer nicht allzu viel ändern, hofft Eder. Das kräftigste Wachstum erwartet er in Asien. Aber auch die Entwicklung in Europa, dem wichtigsten Markt des Unternehmens, sei solide – wenn man von den Problemkindern Italien und Spanien absehe. „Das größte Risiko ist die internationale Handelspolitik“, sagte der Konzernchef mit Blick auf die Vereinigten Staaten. Die US-Zölle auf Stahl- und Aluminium-Importe sollen allerdings maximal drei Prozent des Umsatzes betreffen. Im ersten Halbjahr dürfte das in den Büchern des Stahl- und Technologiekonzerns gar keine Spuren hinterlassen. „Die Auftragsbücher sind bis in den Herbst voll“, sagte Eder. Und auch danach sehe es mit der wirtschaftlichen Entwicklung im Grunde gut aus. Die größte Belastung im kommenden Geschäftsjahr ist die Reparatur eines Großhochofens. Kostenpunkt: 180 Millionen Euro. Trotzdem hält Eder die Chance, dass er nächsten Sommer mit einem weiteren Rekordjahr abtreten darf, zumindest für realistisch.
Strategisch will sich Wolfgang Eder nichts vorwerfen lassen. Der Umbau vom Stahlproduzenten zum stahlverarbeitenden Technologiekonzern sei weit fortgeschritten. Im Vorjahr steuerte Stahl nur noch ein Drittel des Konzernumsatzes bei. Entscheidend für den Aufschwung war die hohe Nachfrage nach Spezialblechen aus der Automobilindustrie und die Erholung der Öl- und Gasbranche.
Prall gefüllte Kriegskasse
Wenn im nächsten Jahr nichts Unerwartetes passiert, übergibt Eder seinem Nachfolger, Herbert Eibensteiner, ein robustes Unternehmen mit prall gefüllter Kriegskasse. Das Eigenkapital stieg auf 6,5 Milliarden Euro, die Verschuldungsrate sank auf 46 Prozent. Was aber tun mit all dem Geld? Ein Teil davon geht an die Aktionäre. Die Dividende wird auf 1,40 Euro je Aktie erhöht. Die Voest-Papiere zogen nach Bekanntgabe der Zahlen an.
Ein Teil des Geldes soll das weitere Wachstum sichern. Zuletzt hat sich die Voest bei Zukäufen zurückgehalten, da die Niedrigzinsen Finanzinvestoren auf den Plan gerufen haben, die in Eders Augen „irrationale Preise“ geboten hätten. Sobald sich die Zinswelt normalisiert habe, werde die Voest aber wieder zuschlagen. „Wir haben die Weichenstellungen für die Zukunft hinter uns“, resümierte er. „Die Voraussetzungen für weitere gute Jahre sind geschaffen.“ Das klang dann doch ein wenig nach einem ersten Abschied. (auer)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2018)