Betrug mit EU-Geldern steigt

Laut der Antibetrugsbehörde Olaf sind die Zweckentfremdung und der Missbrauch von EU-Mitteln um das Fünffache angestiegen.

Brüssel. Die Antibetrugsbehörde der EU, Olaf, hat im vergangenen Jahr Missbrauch oder Zweckentfremdung von mehr als drei Milliarden Euro EU-Geldern angeprangert – fünfmal so viel wie im Jahr davor. Die starke Erhöhung gehe allerdings auf einen Sondereffekt durch ein großes Zollverfahren in Großbritannien zurück, sagte der amtierende Generaldirektor, Nicholas Ilett, zur Vorstellung des Olaf-Jahresberichts am Mittwoch. Laut Olaf gaben Importeure bei chinesischer Kleidung und Schuhe bei der Einfuhr in die EU den Wert der Ware systematisch zu niedrig an und drückten damit den Zoll. Der Schaden belief sich auf 2,3 Milliarden Euro.

Zu den größeren Fällen zählt einer aus dem deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt. Hier empfahl Olaf der EU-Kommission Rückforderungen von gut 162Millionen Euro. Es ging um Gelder für einen Risikokapitalfonds der Investitions- und Beteiligungsgesellschaft IGB, die aus Sicht von Olaf regelwidrig eingesetzt wurden.

„Ernste Unregelmäßigkeiten“ entdeckte Olaf dem Jahresbericht zufolge auch bei einem Beleuchtungsprojekt in Ungarn, das dort auch im Wahlkampf Wellen schlug. In 35Gemeinden sollte die Straßenbeleuchtung mit umweltfreundlichen LED-Lichtern modernisiert werden, mit finanzieller Unterstützung aus EU-Strukturfonds. Die Ermittler fanden jedoch schon im Antrag und dann auch im Ausschreibungsverfahren Unregelmäßigkeiten sowie Interessenkonflikte zwischen beteiligten Beratern und der ausführenden Firma. Olaf empfahl der EU-Kommission in diesem Fall die Rückforderung von 43,7 Millionen Euro und schaltete die Staatsanwaltschaft in Ungarn ein. „Das war wohl der spektakulärste Fall im Sinne politischer Folgen“, so Ilett.

Luftschloss in Italien

Von einem „komplizierten Betrug“ geht Olaf im Fall einer Firma in Italien aus, die 1,4 Millionen Euro EU-Fördermittel zur Entwicklung eines Luftkissenfahrzeugs für Noteinsätze eingestrichen hat. „Es wurde fast keine Entwicklungsarbeit geleistet, das Geld wurde gestohlen und genutzt, um die Hypothek für ein Schloss in Italien abzubezahlen“, resümiert Ilett. (DPA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2018)

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