Kabarett: Warum ist Humor noch immer Männersache?

© Martin Schneider
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Beim „Kabarettgipfel“ im ORF waren die Zwillingsschwestern des Duos RaDeschnig die einzigen Frauen. Vier Kabarettistinnen erzählen, wie die Szene langsam weiblicher wird und warum trotzdem fast nur Männer auf den großen Bühnen stehen.

Noch immer ärgert sich Birgit Radeschnig. Über den Auftritt beim „Kabarettgipfel“ und die dortige Anmoderation. 2017 wurde sie mit ihrer Zwillingsschwester Nicole, mit der sie gemeinsam als Kabarett-Duo „RaDeschnig“ auftritt, zu der Veranstaltung in die Wiener Stadthalle geladen. Kurz vor dem Auftritt dann die Ankündigung eines männlichen Kollegen auf der Bühne: „Schön, dass wir hier auch was für die Frauenquote machen.“

Nicht nur am Kabarettgipfel, immer wieder hören die Schwestern ähnliche Anspielungen. "Ich würde mir von den Kollegen wirklich wünschen, dass damit Schluss ist", sagt Birgit Radeschnig. „Das vermittelt dem Publikum ja den Eindruck, dass man abseits von jeglicher Qualifikation nur auf die Bühne darf, weil eine Quote erfüllt werden muss."

Am Freitag zeigte der ORF die Aufzeichnung des Kabarettgipfels im Hauptabend. Fünf Männer teilen über eine Stunde lang Pointen aus - kurz vor dem Ende der Veranstaltung haben RaDeschnig als einzige Kabarettistinnen auf der Bühne ihren Auftritt. Während die eine inbrünstig singt, gibt die andere die lebende Loop Station. Seit 2010 treten die Kärntner Schwestern als Duo auf, vor zwei Jahren nahmen sie gemeinsam mit Hosea Ratschiller den Programmpreis des Österreichischen Kabarettpreis entgegen.

"Können Frauen lustig sein?"

Der Hauptpreis des gleichnamigen Vereins wurde bisher - mit Ausnahme von Andrea Händler im Jahr 2000 - nur an Männer vergeben. Dafür sind in den letzten Jahren bei den verliehenen Förder- und Sonderpreisen des "Karl", wie der Preis früher gern genannt wurde, mittlerweile immer mehr weibliche Namen zu lesen. Lisa Eckharts Kabarettabende sind ausverkauft und Stefanie Sargnagel begründet eine neue Form des Online-Kabaretts - das würdigte auch die Jury.

"Flüsterzweieck" wurde im vergangenen Jahr mit dem Förderpreis ausgezeichnet. Das Kabarett-Duo, bestehend aus Antonia Stabinger und Ulrike Haidacher, stand 2009 das erste Mal in Graz auf einer Bühne. Im selben Jahr traten sie schon mit ihrem ersten Programm auf. Gut erinnert sich Ulrike Haidacher noch an das erste Interview, das sie jemals als Kabarettistin gab. Gleich in der Einstiegsfrage hätte der Journalist provokant gefragt: Können Frauen lustig sein? "Niemand würde auf die Idee kommen zu fragen, ob Männer lustig sein können", ärgert sich Haidacher.

Auch die Schwestern RaDeschnig kennen ähnliche sexistische Aussagen: „Wir werden oft gefragt, ob Männer lustiger sind als Frauen und ich verstehe die Frage nicht", sagt Birgit Radeschnig. "Nur weil Frauen in der Kabarettszene prozentuell weniger sind, heißt das ja nicht, dass sie deshalb keinen Humor haben.“

Der weibliche Witz

Heute würde sich niemand mehr trauen, so eine Frage zu stellen, sagt Ulrike Haidacher. "Denn die Diskussion über Sexismus hat wieder eine breite Öffentlichkeit gefunden." Die Szene verändert sich, mehr junge Leute stellen sich auf Kabarettbühnen, inspiriert von Poetry Slams und Stand-Up-Comedy. Und immer mehr Frauen treten vor das Publikum.

"Meistens sind Frauen im Kabarett aber noch allein auf weiter Flur", sagt Iris Fink, Historikerin und Leiterin des Österreichischen Kabarettarchivs. In den 1990er Jahren habe es Versuche gegeben, bei denen bewusst Kabarettistinnen gefördert wurden - was beim Publikum auch gut ankam. "Im nächsten Jahr ist die Initiative aber schon wieder im Sand verlaufen." Auch heute gibt es ähnliche Projekte in Österreich: 2017 fand das erste Frauenkabarett-Festival in Salzburg statt.

Am Anfang hätten es vor allem junge Frauen schwer in der Szene, den Status müsse man sich erst hart erspielen. "Es hat mich früher gestört, dass es damals keine weiblichen Vorbilder im Kabarett gab", sagt Ulrike Haidacher. Sie studierte Germanistik und Schauspiel, ihr Humor wurde so nicht von Comedy, sondern von der Literatur geprägt. "Ich persönlich fand Elfriede Jelinek immer sehr lustig." Deshalb sei der Mangel an Vorbildern manchmal auch ein Vorteil: "Dadurch kreiert man automatisch einen eigenen Stil."

Die Angst vor dem Scheitern

Elli Bauer ist noch neu in der Szene. Im Kabarett habe man es als Frau genauso schwer wie in anderen Berufssparten, sagt die Kabarettistin und Sozialarbeiterin. Auch wenn es durchaus spezifische Probleme gebe: "Um im Kabarett erfolgreich zu werden, muss man sich auf die Bühne stellen und einfach probieren", sagt Bauer. Zwangsläufig würde man so auch Rückschläge einstecken. "Ich habe das Gefühl, bei Frauen wird das Scheitern auf einer Bühne stärker verurteilt als bei Männern."

Wenige Frauen hätten in der Vergangenheit angefangen, Kabarett zu spielen. Noch weniger von ihnen wären übrig geblieben. Aber es gibt sie - die Frauen, die den weiblichen Witz verteidigen. Und sie werden immer mehr. „Der Prozess dauert halt, aber ich blicke optimistisch in die Zukunft“, sagt Nicole Radeschnig - und lacht.

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