Welche Rolle werden Kryptowährungen im Geldsystem spielen? Und was unterscheidet sie von „echten“ Währungen? Diese Fragen wurden bei der „Presse“-Veranstaltung „Wirtschaft Wissenschaft Unplugged“ beantwortet.
Wien. „Es gibt noch sehr viel Unwissen über Bitcoin, die Blockchain und andere solche Begriffe.“ Mit diesen Worten fasste Shermin Voshmgir, die Leiterin des Instituts für Kryptoökonomie der WU Wien, am Dienstagabend bei der von „Presse“, Erste Bank und WU veranstalteten Diskussionsreihe „Wirtschaft Wissenschaft Unplugged“ die aktuelle Situation der Kryptoszene zusammen.
Sie liefert in der Folge auch gleich ein paar leicht verständliche Vergleiche. So sei die Blockchain „eigentlich ein transparentes Buchhaltungssystem“. Konkret würden durch sie einzelne Transaktionen eindeutig und nur schwer manipulierbar für jedermann einsichtig gespeichert.
„Derzeit haben wir überall auf der Welt eine Top-down-Struktur“, so Voshmgir weiter. Eine zentrale Institution gebe die Erlaubnis zum Zugang und sei für die Korrektheit der Einträge zuständig. „Die Blockchain ermöglicht eine dezentrale Struktur. Niemand ist mehr für das Funktionieren des Systems verantwortlich. Das geschieht quasi durch das System an sich.“
Große Zukunft vorhergesagt
Aus ihrer Sicht ist die bekannteste auf der Blockchain basierende Kryptowährung, Bitcoin, auch keine Währung – „sondern eine komplett neue Asset-Klasse“. Ein Punkt, dem auch Guido Schäfer, stellvertretender Leiter des Instituts für Volkswirtschaftslehre, zustimmt. Damit Bitcoins als echtes Geld gelten können, fehle noch einiges.
So ist das Kryptogeld noch kein allgemein anerkanntes Tauschmittel, die häufigen Wertschwankungen machen es aber auch zu keiner sicheren Aufbewahrungsform für Vermögen. Zudem sind Bitcoins und andere Kryptowährungen auch als Zähleinheit noch nicht tauglich: „Selbst bei den ICOs (Initial Coin Offerings, den Ausgaben neuer Kryptowährungen/Tokens, Anm.) wird das Volumen ja immer noch in Dollar angegeben“, so Schäfer. Zu guter Letzt fehlt auch die gesetzliche Grundlage.
Dennoch sind sich sowohl die beiden WU-Ökonomen als auch Hermann Erlach von Microsoft sicher, dass die Blockchain und ihre verschiedenen Derivate eine große Zukunft haben. „Die eindeutige Authentifizierung von Personen oder Waren ist global eines der größten Probleme. Die Blockchain kann hierfür oftmals die Lösung sein“, so Erlach. Mögliche Anwendungsfälle wären etwa Grundbücher oder die internationale Versicherung von Containerschiffen. „Das ist ein sehr komplexes Thema, das sich mit der Blockchain deutlich vereinfachen lässt.“
Vielfach fehle allerdings noch die gesetzliche Regulierung. Einerseits hinke die Gesetzgebung der technischen Entwicklung hinterher. Andererseits müsse auch die „Kryptoszene ihren Frieden mit dem Rechtssystem schließen“, so Schäfer. (red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2018)