Wie tickt Nordkorea, wie kam es zum Konflikt mit dem Süden und welche Rolle spielen dabei eigentlich die USA? Ein Porträt über ein Land, über das jeder spricht, das aber kaum jemand wirklich kennt.
Es waren historische Bilder: Donald Trump und Kim Jong-un, händeschüttelnd vor einer Reihe nordkoreanischer und amerikanischer Flaggen. Es war das erste Treffen eines nordkoreanischen Machthabers mit einem US-Präsidenten. In Singapur hatten die beiden zugesagt, die koreanische Halbinsel atomwaffenfrei zu machen. Bisher blieb es allerdings nur bei den schönen Bildern, Fortschritte sind nicht erzielt worden.
Monate zuvor hatte Kim medienwirksam als erster nordkoreanischer Diktator seit Kriegsende vor 66 Jahren die 248 Kilometer lange Demarkationslinie überquert. Sie zieht seit 1953 die Grenze der geteilten Halbinsel. Die Linie trennt nicht nur zwei Länder, sondern zwei Welten, die nicht unterschiedlicher sein könnten: Auf der einen Seite der Süden, der sich zu einer florierenden Volkswirtschaft entwickelte. Auf der anderen Seite der verarmte Norden, dessen deutsche Bezeichnung "Demokratische Volksrepublik Korea" im Hinblick auf die schweren Menschenrechtsverletzungen des Militärregimes und den prekären Lebensumständen durchaus zynisch anmutet.
Das Volk hungert, das Militär salutiert
Denn von einer demokratischen Republik ist Nordkorea weit entfernt. Über Generationen ließ die kommunistische Kim-Dynastie die eigene Bevölkerung verwahrlosen. Die wirtschaftlichen Bemühungen konzentrierten sich fast ausschließlich auf die Entwicklung der militärischen Stärke - jeder 20. der 25 Millionen Nordkoreaner gehört dem Militär an. Als eines der ärmsten Länder der Welt, verfügt Nordkorea damit über die weltweit siebtgrößte Armee - und pumpt sein Vermögen in den Ausbau seines Atom- und Raketenprogramms. Die Staatengemeinschaft - allen voran die USA - forderten wiederholt den Stopp des Programms.
Die Vereinigten Staaten gelten in Nordkorea als Staatsfeind Nummer eins. Im Koreakrieg in den 1950er Jahren machten US-Streitkräfte große Teile des Landes dem Erdboden gleich – daran erinnert ein Museum, das die amerikanischen Kriegsverbrechen anprangert. Noch heute herrscht in Nordkorea eine staatlich verordnete Paranoia vor den USA: Das Land müsse jederzeit auf einen US-Angriff vorbereitet sein, heißt es aus der Führungsriege in Pjöngjang. Das Treffen zwischen Kim und Trump könnte nun einen Wendepunkt in den problematischen Beziehungen beider Länder bedeuten.
Mit Planwirtschaft zur Verwahrlosung
Nach dem Ende des Koreakrieges 1953 erlebte der kommunistische Norden unter Führung des "ewigen Präsidenten" Kim Il-sung einen ökonomischen Aufschwung. Besonders die Schwerindustrie kurbelte die wirtschaftliche Entwicklung des Landes an. Der Zusammenbruch des Ostblocks Anfang der 1990er Jahre hatte für die Wirtschaft Nordkoreas jedoch schwere Konsequenzen: Ernteausfälle verursachten fatale Hungersnöte. Bis zu zwei Millionen Menschen sollen in den 1990er Jahren deshalb verhungert sein.
China ist bis heute der einzige relevante Handelspartner – und damit existenziell wichtig für die Wirtschaft des Landes. Wegen seiner generellen Isolation ist Nordkoreas Außenhandel jedoch schwer in Zahlen zu messen. Die Vereinten Nationen schätzen das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf auf rund 600 US-Dollar. Das ist ein Vierzigstel des Bruttoinlandsprodukts seines südlichen Nachbarn.
Bis heute besitzt Nordkorea eine straff zentralisierte Planwirtschaft. Das Hauptaugenmerk der Führung in Pjöngjang liegt nach wie vor auf der für das Militär wichtigen Schwerindustrie. Die staatlich kontrollierte Landwirtschaft und die Produktion von Konsumgütern werden immer noch stark vernachlässigt.
Arbeitslager, Folter, Todesstrafe
Für die nordkoreanische Führung sind Menschenrechte meist reine Worthülsen. Immer wieder werden aus dem Land massive Menschenrechtsverletzungen berichtet. In vielen Rankings – etwa zum Grad der Demokratie oder der Pressefreiheit - ist Nordkorea weltweites Schlusslicht. Es gilt als das restriktivste aller heute existierenden totalitären Systeme. Öffentliche Kritik am Regime wird streng bestraft, die Medien stehen vollständig unter staatlicher Kontrolle.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International berichtete 2017 von Straf- und Umerziehungslagern, in denen bis zu 120.000 politische Gefangene sowie Menschen wegen ihres Glaubens inhaftiert sein sollen. Obwohl die nordkoreanische Verfassung offiziell Religionsfreiheit gewährt, wird der Besitz einer Bibel bei Todesstrafe oder Arbeitslager - mit Sippenhaftung - verboten.
Selbst schwangere Frauen werden in diesen Lagern zu Arbeit gezwungen. Viele der Inhaftierten sterben durch die miserablen Lagerverhältnisse, Exekutionen oder Unterernährung. Genaue Angaben zur Zahl der Getöteten gibt es nicht. Vereinzelt gelang es Inhaftierten, aus den Lagern auszubrechen. Sie berichten über Menschenversuche, Folter und Hinrichtungen.
Gesundheit: Langsam positive Entwicklungen
Amnesty wies in einem 2010 veröffentlichten Bericht auf die prekäre Lage im nordkoreanischen Gesundheitssystem hin. Viele Krankenhäuser seien unzureichend ausgestattet und die hygienischen Zustände katastrophal. Dem Bericht zufolge müssen Operationen und Amputationen teilweise ohne Narkose durchgeführt werden, da es an Betäubungsmitteln mangelt.
Trotzdem konnten auch nachhaltige medizinische Fortschritte erreicht werden. Die Kindersterblichkeit in Nordkorea sank in den vergangenen Jahren konstant. Einem UNICEF-Bericht zufolge lag die Kindersterblichkeitsrate 2016 bei zwei Prozent - damit befindet sich Nordkorea im internationalen Vergleich im vorderen Drittel. Auch der Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung auf 71,7 Jahre zeugt von einer besseren Gesundheitsversorgung. In Südkorea liegt die Lebenserwartung bei 82 Jahren.
Der Ausgang des Treffens zwischen Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump ist für die Lebensumstände der etwa 25 Millionen Nordkoreaner von großer Bedeutung. Wenn sich Kim kompromissbereit zeigen wird, geht es ihm um die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen. Nicht umsonst richtete Pjöngjang im Vorfeld des Treffens einen dramatischen Appell an die Vereinten Nationen. Es fehlten rund 1,4 Millionen Tonnen Lebensmittel. Aufgrund hoher Temperaturen, Dürreperioden und Überschwemmungen drohe dem Land eine Hungersnot.