"Alle Angestellten sollten Twitter und Facebook nutzen"

Alle Angestellten sollten Twitter
Alle Angestellten sollten Twitter(c) WKÖ (Paul Landl)
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Im Interview mit DiePresse.com erklärt Medienprofi Matthias Lüfkens, wie Facebook und Twitter eine ganze PR-Abteilung ersetzen können und warum Twittern Chefsache ist.

Matthias Lüfkens ist Profi für die Vermarktung von Unternehmen über Online-Netzwerke. Für das Weltwirtschaftsforum in Davos hat er auf Facebook, Twitter, YouTube und Co. die Massen mobilisiert - dabei ist er der einzige Mitarbeiter seiner Abteilung. Am E-Day der Wirtschaftskammer hat er die Eröffnungsrede gehalten. Im Gespräch mit DiePresse.com verrät er seine Tricks.

Inhaltsverzeichnis

Seite 1: "Facebook ist längst öffentlich"
Seite 2: "Man muss auf Facebook nicht Freund des eigenen Chefs sein"

Jack Wolfskin


DiePresse.com: Sie haben im Vorfeld des E-Day auf Twitter nach österreichischen CEOs gesucht, die ebenfalls twittern. Sind Sie fündig geworden?

Matthias Lüfkens: Nein. Es gibt nicht viele. Einige in Amerika.

Österreichische Unternehmen?

Lüfkens: Da hatte ich nicht genug Zeit. Aber ich habe die Erste Bank gefunden, die sich ihren Namen auf Twitter gesichert hat, aber noch nicht tweetet. Die überlegen wohl noch, was sie damit machen sollen. Dann wiederum gibt es zum Beispiel die ukrainische Niederlassung der Erste Bank, die auf ukrainisch sehr aktiv tweetet. Ist doch toll.

Für mich war auch @Reisingers sehr interessant. Das ist ein Restaurant, bei dem ich über Twitter einen Tisch reservieren konnte. Natürlich liegt das auch daran, dass er selbst auch IT-Fachmann ist.

Welche Vorteile kann der Einsatz von Twitter, Facebook und Co. für Unternehmen bringen?

Lüfkens: Ein neues, ein größeres Publikum. Neue Kunden, neue Partner, neue Angestellte. Ich muss ehrlich sagen, wenn ich bereits in der Schule und auf der Uni Facebook nutze und dann in ein Unternehmen komme, wo mir das verboten wird, da geh' ich nicht hin.

Was sollte man als Unternehmen twittern?

Lüfkens: Ich bezeichne das als Unternehmens-Journalismus. Man muss sich wirklich überlegen, wie man über die Pressemitteilung hinausgehen kann. Die Pressemitteilung ist eigentlich veraltet. Man muss sich überlegen, wie man das auf eine neue Art kommunizieren kann. Nach der Art "wir haben ein neues Produkt, schaut euch das an und bitte hinterlasst eure Kommentare". Man sollte direkt den Dialog suchen. Das kann man ganz interessant gestalten. Stellen Sie sich vor, ein Unternehmen entwickelt ein neues Produkt. Man könnte ja bereits in diesem Stadium etwas ankündigen. Das macht man eigentlich schon jetzt: Einigen von der Presse wird etwas zugespielt und dann wird daraus eine Story. Das funktioniert auch auf Facebook. Die Nachricht kommt dann vom offiziellen Unternehmens-Account, gleichzeitig aber zum Beispiel vom Account des Geschäftsführers. Dann aber ein wenig persönlicher, wie "ich freue mich schon auf den Tag, wenn wir das Produkt vorstellen werden". Man sollte auch immer wieder Feedback einfordern. Das ist das wichtigste und das will ich jetzt auch beim nächsten Forum (Weltwirtschaftsforum, Davos, Anm.) machen. Ich will wirklich mit dem breiten Publikum gemeinsam das Programm zusammenstellen und nicht erst mit dem fertigen Programm nach Kommentaren fragen.

Wie kommt man auf Twitter und Facebook überhaupt zu diesem breiten Publikum?

Lüfkens: Das Publikum kommt. Man braucht nicht 1,5 Millionen Followers. Man kann auch ganz klein anfangen. Es reichen mehrere Hundert. Das wächst eigentlich je mehr man sich engagiert.

Was macht dieses Engagieren aus?

Lüfkens: Inhalt. Inhalt, Inhalt, Inhalt. Ob das jetzt 50 oder 500 oder 5000 Followers sind, das ist egal. Wichtig ist, wie oft die eigenen Nachrichten retweetet (von anderen Twitter-Nutzern aufgegriffen und weiter verbreitet, Anm.) werden.

Wie kann man als Unternehmen auf Kritik, Beschwerden oder sogar Beleidigungen reagieren? Jack Wolfskin hat ja nach einem Rechtsstreit mit Internetnutzern einen schweren Imageschaden im Internet davongetragen.

Im Oktober 2009 hat der Outdor-Bekleidungs-Profi einige Hobby-Anbieter abgemahnt, die im Internet Pfotenabdrücke verwendet haben, die dem Logo des Unternehmens ähneln. Das vorgehen wurde von zahlreichen Bloggern verurteilt. Die Kritik hat sich im Internet wie ein Lauffeuer verbreitet. Googelt man heute den Namen, überwiegen noch immer Negativmeldungen.

Lüfkens: Nicht so reagieren wie Wolfskin. Bloß keine "takedown notice". Das ist wirklich das allerletzte das man tun sollte. Wenn es wirklich verletzend ist, ignorieren. Wenn es produktive Kritik ist, darauf eingehen. Das haben wir auch heute im Saal (bei der Eröffnungsdiskussion des E-Days, Anm.) erlebt. Ein kritisches Tweet (Twitter-Meldungen wurden in dem Saal an die Wand projiziert, Anm.) und der Vize-Chef der WKÖ reagiert persönlich. Das ist Diskussion. Zu viele Unternehmen wissen ja gar nicht, was im Internet über sie gesprochen wird. Das ist noch schlimmer. Der erste Einstieg bei Twitter ist search.twitter.com. Dort sollte man erst einmal schauen, was über das Unternehmen gesagt wird. Dann merkt man, dass man sich daran beteiligen müsste.

Wer in einem Unternehmen sollte das Twittern übernehmen?

Lüfkens: Twittern ist Chefsache. Ein zusätzlicher Gruppenaccount kann natürlich von einem Medienteam betreut werden. Da muss man aber ganz klar sagen, wer dahinter sitzt. So ist auch unser (Weltwirtschaftsforum, Anm.) Account aufgebaut. Da wird dann immer gezeichnet, wer diese Nachricht geschrieben hat. Gleichzeitig sollten alle Angestellten, die Twittern wollen, das auch dürfen. Die können die Firmen-Nachrichten durch persönliche Tweets unterstützen, zum Beispiel "ich bin wirklich glücklich über das neue Projekt". Dadurch macht man das Unternehmen viel menschlicher, viel zugänglicher. Man muss den Angestellten da natürlich mit Schulungen helfen, damit sie dann nicht schreiben "so ein Scheiß-Tag heute im Büro".

Ist es nicht auch gerade bei Chefs gefährlich, dass sie unabsichtlich etwas ausplaudern könnten?

Lüfkens: Das wäre doch wiederum gut für Sie (lacht). Nein, der Chef weiß in der Regel, was er sagen darf. Die meisten Chefs können auch gut kommunizieren.

Wie ist das bei Mitarbeitern, die sich im Thema oder im Tonfall vergreifen?

Lüfkens: Ja, das passiert eben. Denen muss man vielleicht Negativ-Beispiele zeigen. Ein Mitarbeiter des Weltwirtschaftsforums hat zum Beispiel einmal getwittert "es ist vielleicht Zeit, das Unternehmen zu verlassen". Er arbeitet noch immer bei uns. Hätte man ihn für diesen Tweet hinauswerfen sollen? Damit muss man umgehen. In jedem Unternehmen gibt es undichte Stellen. Das ist ja auch für Sie interessant. Stellen Sie sich vor, Sie recherchieren für eine Story. Die erste Anlaufstelle für mich wäre jetzt Facebook. Suchen Sie mal bei Facebook nach einem bestimmten Unternehmen. Da haben Sie alle derzeit Angestellten und auch alle ehemaligen Angestellten. Die können Sie alle direkt anschreiben. Ich bin mir sicher, von den Hundert werden ihnen ein oder zwei eine Story zustecken. Vor allem, wenn Sie Fragen stellen wie "stimmt das, dass ihr Chef ...". Dann haben Sie ihre Story. Anders sollte man als Journalist heute nicht recherchieren. Auf Facebook ist man längst öffentlich - das haben die meisten Unternehmen noch gar nicht verstanden. Das ganze Adressbuch eines Unternehmens ist dadurch im Internet frei verfügbar.

Und da kann man nur zusehen und das geschehen lassen?

Lüfkens: Man kann nicht gegensteuern, man muss es begleiten. Man sollte den Mitarbeitern klar machen, dass Facebook Privatsache ist. Wenn sie sich aber als Mitarbeiter ausgeben (in den Profilinformationen, Anm.), wird das öffentlich. Damit werden Mitarbeiter quasi zu Pressesprechern. Dann sollten zum Beispiel keine Partyfotos online gehen, oder zumindest strenge Sichtbarkeits-Einstellungen haben.

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