Der Architektur-Aufreger: Am Donaukanal

Die "Blumenwiese" am Donaukanal
Die "Blumenwiese" am Donaukanal(c) Hannes Winkler - www.imageyourlife.at
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Am Ufer wird man auch ästhetisch abgespeist: Der Beach-Club als überdimensionierte Gartenhütte.

Wien und seine Ufer. Ob die nochmal richtig Freunde werden. Am Donaukanal sah es tatsächlich so aus, als könnte es klappen. Im Sous-Terrain der Stadt sitzen regelmäßig Menschen, die mit semitransparenten Getränken ausgelassen auf das undurchsichtig Trübe schauen: das Wasser, das die Twin City Liner von Wien nach Bratislava und andere Boötchen von Zeit zu Zeit an die Kanalmauern branden lassen. Architektonisch hat die Stadt seinen nach oben offenen Untergeschoß, den Donaukanal, allerdings noch nicht so recht erschlossen.

Da half auch keine Schiffstation, die soviel Schiffstation ist, wie der Hauptbahnhof ein Bahnhof, nämlich nur am Rande. Hauptsächlich ist sie Gastronomiebetrieb, gestelzt, leicht auskragend über das Wasser und in Richtung Schwedenplatz auch verwertbare Affichierfläche für Werbung. Weil Richtung Schwedenplatz auch schon alles egal ist, rein ästhetisch gesehen. Der letzte sinnvolle Vorschlag für das Areal war vor etlichen Jahren jener von Gregor Eichinger, der per „Trialto“ den Kanal und andere Barrieren mit einem Brückengeflecht überspannen wollte. Nichts daraus geworden. Mehr als zehn Jahre später wurde beschlossen, dass der Schwedenplatz vornehmlich zur Gingko-Allee wird. Hmm, mit der Partizipation sollte es man bei großen Entscheidungen in der Stadt wirklich nicht übertreiben. Doch wieder runter ans Ufer: Dort stehen zumindest das denkmalgeschützte Schützenhaus von Otto Wagner.

Eine temporäre Gastronomie-Installation, die auf das Konzept Sand und Plastiksessel gebaut ist, die gar nicht mehr so temporär scheint, ist der Tel-Aviv Beach. Aber das Temporäre wird hier weniger funktional gedacht als ästhetisch. Sieht alles so aus, als könnte man es schnell wieder einpacken und an ganz andere Strände verschiffen. Ein bisschen weiter stromabwärts wölbt sich zumindest in Glaspavillon. Rundherum wuchert eine Bretterstruktur zur „Adria Wien“, hier splittert mal das Holz, hier der Lack, ganz wunderbar. Entspricht ganz und gar dem roh-räudigen Grundgestus entlang der Graffiti-Gallerie. Ein beliebter Fotohintergrund für noch gar nicht so beliebte Bands und Künstler, die sich die leicht anarchische Anrüchigkeit als Imagefaktor ausborgen. Im Sous-Terain der Stadt ist eben alles einfacher, unkomplizierter, unverbindlicher. Auch die Architektur. Da gelten andere Gestaltungsregeln, obwohl doch so viele Regeln gelten. Denn man weiß ja nicht genau, was passiert. Auch mit den Pachtverträgen und so.

Die engagierten Gastro-Pioniere entlang des Ufers hat die Stadt da ganz schön an die Kai-Mauer auflaufen lassen. Und weil hier von Schiffswracks und Schiffsbrandruinen ohnehin soviel deponiert wird, dort wo vor den Pionieren tatsächlich nix als Junk-Space war, deponiert man auch inzwischen architektonisch die Haltung: Mainstream ist des Kanals wichtigster Nebenfluss. Ursula Stenzel, die Jeanne d'Arc im Kampf gegen die „Verhüttelung“, wäre, wenn ihre Meinung noch ansatzweise relevant wäre, wahnsinnig aufgebracht: Denn die „Hütte“ ist das Entwurfskonzept. Architektur gönnt sich hier keinen intellektuellen Schnörkel. Gestaltung geht hier so tief wie Andreas Gabalier in seinen Texten. Endgültig abgespeist, gastronomisch und ästhetisch, wurde der Donaukanal verhängnisvoller Weise von einer „Blumenwiese“.

Ein Beach-Club, ein Gastro-Konzept von Philipp Pracser, der in manchen seiner bestehenden und sehr erfolgreichen Gastronomie-Betriebe klugerweise das „Vorglühen“ auch als Wirtschaftsfaktor erkannt hat. Scheinbar die inhaltliche und ästhetische Antwort der Stadt Wien auf das, was Stadträtin Uli Sima ein paar Monate zuvor entlang des Wassers noch teilweise als „Baracken“ abqualifiziert hatte. Doch das Improvisierte, das Gestückelte, das Angeschmierte, das Ungeordnete, das Gewordene, das Gewachsene, durch all das schimmerte zumindest blass noch ein wenig Charme des Pioniergeists. Die „Blumenwiese“ hingegen wirkt wie der flache Gegenentwurf aus dem 3-D-Drucker. Völlig entseelt, völlig auf Mainstream gebügelt, gestalterisch dünn wie das Bier, das hier ausgeschenkt wird – nichts anderes als eine langgezogenes Gartenhäuschen aus dem Baumarkt, das unter seinem Dach, eine Konstruktion, die längst „Baracke“ ist, bevor der Lack die Chance bekommt, überhaupt zu splittern.

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