Missbrauch in Kirche: "Täter mehr geschützt als Opfer"

Kardinal Christoph Schönborn
Kardinal Christoph Schönborn(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Die heimischen Bischöfe wollen bis zum Sommer Richtlinien zur Verhinderung von Missbrauch formulieren. Allein die Wahrheit mache frei, heißt es im Abschlussdokument der Frühjahrs-Vollversammlung.

Zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung in St. Pölten zeigten sich die österreichischen Bischöfe in Bezug auf die aktuellen Missbrauchsvorwürfe selbstkritisch: "Leider wurden in der Vergangenheit zu Unrecht in der Kirche die Täter oft mehr geschützt als die Opfer", gab der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn zu. Die Bischofskonferenz will nun eine österreichweit einheitliche Regelung für die Verhinderung von weiteren Missbrauchsfällen in Auftrag gegeben, die von einer Projektgruppe bis zur Sommervollversammlung im Juni verfasst werden soll.

Wörtlich heißt es in der Erklärung der Bischofskonferenz: "Mit Scham und Trauer stellen die Bischöfe fest, dass sich erst in den letzten Jahren in der Kirche in Österreich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass bei Missbrauchsvorwürfen nichts anderes zählt als die Wahrheit, die allein frei macht." Für sexuellen Missbrauch könne es nur Reue, die Bitte um Vergebung und das Bemühen um Heilung der Wunden geben. Dies gelte in besonderem Maß für die Kirche, an die zu Recht hohe ethische Ansprüche gestellt werden.

Die Bischöfe haben alle Missbrauchsopfer eingeladen, sich an die bestehenden Ombudsstellen der Diözesen zu wenden. Ebenso forderten sie die Täter auf, ehrlich Rechenschaft zu geben. Die Bischöfe zollten in ihrer Erklärung all jenen großen Respekt, "die bereit sind, über ihre Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch im kirchlichen Umfeld zu sprechen". Es sei nur zu erahnen, "wie viel Überwindung und Mut es braucht, die Erinnerung an erlittenen Missbrauch in Worte zu fassen".

Aus- und Fortbildung für kirchliche Mitarbeiter

Basis für die neue österreichweite Regelung sollen bereits bestehende Richtlinien sein, wobei die in der Erzdiözese Wien geltenden Bestimmungen Vorbildcharakter hätten, so Schönborn. Zwar seien bereits vor 15 Jahren - seit dem Fall Groër - eine Reihe von Maßnahmen zum Umgang mit sexuellem Missbrauch getroffen worden. Diese gelte es aber zu verbessern, etwa die österreichweite Vernetzung und Zusammenarbeit der diözesanen Ombudsstellen. Auch die Männer- und Frauenorden in Österreich sollen in deren Arbeit offiziell eingebunden werden.

Zur Förderung von Bewusstseinsbildung und Prävention zur Verhinderung sexuellen Missbrauchs soll es laut Erklärung der Bischöfe vor allem eine verstärkte Aus- und Fortbildung der kirchlichen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter geben. Um all diese Maßnahmen rasch und effektiv umsetzen zu können, hat die Bischofskonferenz eine Projektgruppe eingesetzt, die bis zur Sommervollversammlung der Bischofskonferenz im Juni ein detailliertes Gesamtkonzept auszuarbeiten hat. Dieser Gruppe gehörten Ombudsleute wie auch andere Experten an, so Schönborn.

Schönborn gegen "Pauschalverdächtigungen"

Schönborn wehrte sich allerdings gegen "Pauschalverdächtigungen" von Priestern und Mitarbeitern der Kirche. "Sexueller Missbrauch ist eine dunkle Seite der ganzen Gesellschaft." Auch den Vorwurf, es gebe keine wirklichen Konsequenzen für die Täter bei sexuellem Missbrauch, lässt der Kardinal nicht gelten. So könne ein Verfahren vor der Glaubenskongregation in Rom bis zur Rückführung in den Laienstand führen, was eben erst in dieser Woche bei einem österreichischen Priester geschehen sei. Allerdings gelte auch in der römisch-katholischen Kirche wie in der übrigen Gesellschaft die Unschuldsvermutung.

(APA)

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