French-Open-Finale: Der Nadal-Code

Aufschlag beim Finale der French Open: Dominic Thiem fordert Rafael Nadal und spielt um den ersten Sieg eines Österreichs seit Thomas Muster 1995.
Aufschlag beim Finale der French Open: Dominic Thiem fordert Rafael Nadal und spielt um den ersten Sieg eines Österreichs seit Thomas Muster 1995.(c) AFP
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Der 24-jährige Niederösterreicher Dominic Thiem fordert in seinem ersten French-Open-Finale den zehnfachen Champion Rafael Nadal. Eine Anleitung zum großen Coup.

Es war der Nachmittag des 11. Juni 1995, als Thomas Muster am Court Philippe Chatrier Geschichte schrieb. Im Finale der French Open bezwang der Steirer den US-Amerikaner Michael Chang glatt in drei Sätzen, es sollte der erste und bis dato letzte Triumph eines Österreichers in einem Grand-Slam-Einzelfinale bleiben. Am Sonntag (15 Uhr, live in ORF Sport +, Eurosport), fast auf den Tag genau 23 Jahre nach Musters Erfolg, wandelt Dominic Thiem auf den Spuren des ehemaligen Weltranglistenersten aus Leibnitz. Im Endspiel um den Coupe des Mousquetaires, wie die Siegertrophäe in Paris heißt, trifft Thiem auf den zehnfachen French-Open-Champion Rafael Nadal.

Vergleiche zwischen Thiem und Muster bieten sich an, der 24-Jährige lehnte diese aber schon vor vielen Jahren ab – und tut dies bis heute. Es sei eine andere Zeit gewesen, sagt Thiem, der 1995 noch keine zwei Jahre alt war. „Ausschnitte vom Finale habe ich etliche Jahre später auf einer Videokassette gesehen“, erzählte er einst der „Presse am Sonntag“.

Um wie sein berühmter Landsmann den ganz großen Coup zu landen, muss Thiem noch die schwierigste aller Prüfungen bestehen. Finalgegner Rafael Nadal nennt den Court Philippe Chatrier sein Wohnzimmer, der Spanier hat im Stade Roland Garros zehn Mal triumphiert und hält bei einer unerreichten Bilanz von 85:2-Siegen. Den besten Sandplatzspieler aller Zeiten in Paris zu stürzen gelang nur zwei Spielern: Novak Djoković (2015, Viertelfinale) und Robin Söderling (2009, Achtelfinale). Dem Schweden glückte vor neun Jahren eine Sensation, im Endspiel ein Jahr später blieb er gegen den Mallorquiner chancenlos.


Die Aura eines Champions. Söderling kennt Nadals Qualitäten, in Paris umgibt den 32-Jährigen eine ganz besondere Aura wie sonst nur Roger Federer in Wimbledon. „Allein seine Präsenz am Platz lässt ihn viele Matches gewinnen“, erklärte Söderling am Rande der diesjährigen French Open. „Ich habe schon viele Spieler, auch sehr, sehr gute, gesehen, die gegen Rafa auf den Platz gehen und denen du beinahe ansehen kannst, dass sie nicht zu 100 Prozent daran glauben, gewinnen zu können. Sie hoffen, gewinnen zu können, glauben aber nicht daran.“ Söderling rät also auch Thiem: „Es ist wirklich wichtig jedem zu zeigen, dass man auf dem Platz ist, um zu gewinnen.“

Österreichs zweiterfolgreichster Spieler aller Zeiten weiß ganz genau, was es braucht, um Nadal zu schlagen. „Ich muss gut aufschlagen, brauche eine hohe Quote an ersten Aufschlägen, damit ich derjenige bin, der den Ballwechsel kontrolliert. Man muss immer die Kontrolle haben, denn sobald er sie einmal hat, lässt er dich nicht mehr los.“ Selbst in die Offensive zu kommen, ist allerdings eine gewaltige Aufgabe, „weil Nadal extrem gut returniert und unangenehm serviert“.

Für gewöhnlich diktiert der Iberer das Geschehen auf den Sandplätzen dieser Welt, die einzige Chance besteht also darin, „die Rollen umzudrehen“. Kurzum: „Ich muss ihn vom Platz schießen.“ Und was, wenn dieser Plan nicht funktioniert? „Dann endet es so wie in Paris 2017.“ Im Vorjahr war Thiem im Halbfinale untergegangen, dabei gelangen ihm nur sieben Games. „Ich kenne schönere Gefühle, als gegen Nadal einzulaufen, weil ich mein bestes Tennis abrufen muss, um gegen ihn gewinnen zu können. Wenn du gegen Rafa spielst, hast du den Druck, von der ersten Sekunde an funktionieren zu müssen. Das ist gegen andere Spieler nicht so. Da hast du etwas Zeit, um in die Partie zu finden.“

Thiem geht dennoch optimistisch in das zehnte Duell mit Nadal (Bilanz 3:6), das jüngste Duell in Madrid vor wenigen Wochen konnte er in zwei Sätzen für sich entscheiden. „Ich weiß, dass ich ihn schon geschlagen habe. Wäre dem nicht so, würde ich sicher vor Angst erstarren.“

78

98

10

11,1

Zahlen, Siege & Geld

Turniersiege hat Rafael Nadal, 32, gefeiert, triumphierte bei 16 Grand-Slam-Turnieren, davon zehnmal in Paris.

Millionen Dollar Karrierepreisgeld bestätigen das Geschick der Nr 1.
der Tenniswelt.

Turniersiege hat Dominic Thiem gefeiert. Der ÖTV-Star, 24 und Nummer acht der Welt, steht erstmals in einem Grand-Slam-Finale.

Mio. Dollar Preisgeld hat er eingenommen.

Head-to-Head: 6:3 für Nadal, je auf Sand.

Preisgeld Paris 2018

Sieger 2,2 Mio. Euro.

Finalist: 1,12 Mio. Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2018)

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