Bill Clintons Krimi: Der US-Präsident als netter Weltenretter

Zwei vom alten Schlag: James Patterson und Bill Clinton erweisen sich als solide Politthriller-Autoren.
Zwei vom alten Schlag: James Patterson und Bill Clinton erweisen sich als solide Politthriller-Autoren.(c) David Burnett
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Mit „The President is Missing“ haben Ex-US-Präsident Bill Clinton und Bestsellerautor James Patterson einen handwerklich sauberen Politthriller geschrieben. Mehr aber auch nicht. Und es bleibt die Frage: Wie viel Hillary steckt in diesem Buch?

Es gilt als der Buchcoup des Jahres: Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton hat gemeinsam mit „Krimi-Schreibfabrik“ James Patterson einen Politthriller verfasst. Der deutsche Droemer-Verlag gab sich entsprechend geheimnisvoll, Vorabexemplare wurden nicht verschickt. Erst am 4. Juni, dem weltweiten Erscheinungstag, war „The President is Missing“ verfügbar.

Das Buch des ehemaligen US-Präsidenten Clinton.
Das Buch des ehemaligen US-Präsidenten Clinton.(c) Droemer

War diese Aufregung gerechtfertigt? Eher nicht. Dennoch: Wer sich einen spannenden Politthriller erhofft, der wird nicht enttäuscht sein. Tiefere Einblicke in das Leben im Weißen Haus oder die politischen Entscheidungsprozesse darf man sich allerdings nicht erwarten. Das dürfte auch daran liegen, dass jene Passagen, in denen der ehemalige Präsident in die Tasten klopfen durfte, wohl eher überschaubar sind. Der Hauptteil geht zweifellos auf das Konto von Patterson und seinem mehrköpfigen Schreibteam – denn normalerweise schreibt der Bestsellergarant schon längst nicht mehr selbst.

„House of Cards“ lässt grüßen. Clinton trug vermutlich maßgeblich zu den ersten beiden und dem letzten Kapitel bei. Am Anfang muss sich der fiktive Präsident Duncan einem Sonderausschuss des Repräsentantenhauses stellen, um ein Amtsenthebungsverfahren abzuwenden. Da konnte der Ex-Präsident, gegen den nach seiner Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky 1998 ein entsprechendes Verfahren eingeleitet wurde, auf eigene bittere Erfahrungen zurückgreifen. Der Stachel dürfte immer noch tief sitzen, denn zu Beginn wird das Bild einer moralisch verrotteten Politikerkaste in der Hauptstadt Washington, D.C., gezeichnet: „Die Haie ziehen ihre Kreise, riechen Blut“, heißt es im zweiten Satz des Buches. Die TV-Serie „House of Cards“ lässt grüßen.

Am Schluss des Buches wiederum darf der Präsident eine flammende und patriotische „Schulterschluss-über-alle-Parteigrenzen-hinweg“-Rede halten. Es ist ein kaum getarntes Gegenstatement zur Politik des real amtierenden US-Präsidenten, Donald Trump: „Die gegenwärtige Abwärtsspirale hin zu kleinlichen Fehden, voreiliger Polarisierung und wutschäumender Feindseligkeit kann unsere Demokratie auf Dauer nicht überleben.“

Handwerklich gibt es an dem Buch wenig auszusetzen. Patterson hat einen soliden Politthriller mit brisantem Bedrohungsszenario konstruiert: Was passiert, wenn die USA ohne Strom dastehen? „Die Vereinigten Staaten von Amerika werden zum größten Dritte-Welt-Land der Erde“, heißt es. Alle Spannung erzeugenden Zutaten sind angerichtet: Cliffhanger, rasante Action-Szenen, Schusswechsel, überraschende Wendungen (wobei der Verräter in den eigenen Reihen nach dem Agatha-Christie-Prinzip ziemlich früh erraten werden kann), ein kniffliges Passworträtsel und ein nervenaufreibender Countdown. Bloß Sex fehlt.

Der fiktive Präsident Duncan, natürlich ein sympathischer Kerl, weist zahlreiche Parallelen zu Clinton auf. Er lernte seine Frau beim Studium an der juridischen Fakultät kennen und hat eine Tochter. Im Gegensatz zu Clinton ist Duncan aber ein Kriegsveteran und feuert daher problemlos und treffsicher eine Glock ab, wenn nötig. Mit Praktikantinnen hat der rechtschaffene Duncan, dessen Frau vor Kurzem verstorben ist, ohnehin nichts am Hut.

Wie viel Hillary steckt im Buch? Über Klischees sollte man hinwegsehen, um sich den Lesespaß nicht zu verderben: Der deutsche Bundeskanzler ist ein aristokratischer Typ, die israelische Ministerpräsidentin besonders schlau und der russische Abgesandte trägt den Beinamen „Schlächter der Krim“.

In der Widmung wird übrigens auch Bills Ehefrau, Hillary Clinton, die Donald Trump im Rennen um das Präsidentenamt unterlag, „für ihre fortgesetzte Ermutigung zur Wirklichkeitsnähe“ gedankt. Was sie darunter versteht, wird spätestens klar, als der Drahtzieher hinter der Cyberattacke auf die USA enttarnt wird. Es drängt sich daher die Frage auf, wie viel Hillary in diesem Buch steckt. Und dieser Subtext macht den Thriller zu etwas ganz Besonderem.

Neu Erschienen

Bill Clinton/James Patterson
„The President is Missing“


Übersetzt von Anke Kreutzer, Eberhard Kreutzer,

Droemer Knaur,
480 Seiten,
23,70 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2018)

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