USA. Stunden nach seiner Abreise aus Kanada ließ der US-Präsident über Twitter die gemeinsame G7-Erklärung für einen fairen Handel platzen – er hatte sich über Kanadas Premier geärgert.
La Malbaie. Mit einem Paukenschlag endete am Wochenende der G7-Gipfel in Kanada: Nachdem die meisten Regierungschefs schon seit mehreren Stunden abgereist waren, zog US-Präsident Donald Trump mit zwei Tweets seine Zustimmung zur bereits veröffentlichten Abschlusserklärung zurück. Er reagierte damit auf Aussagen des Gastgebers, Kanadas Premier, Justin Trudeau, zu den von den USA verhängten Strafzöllen auf Stahl und Aluminium. Kanada und die EU wollen dennoch an den Gipfelvereinbarungen festhalten.
In einer sehr persönlichen Attacke warf Trump Trudeau vor, „unehrlich und schwach“ zu sein und in seiner Pressekonferenz zum Abschluss des Gipfels „falsche Behauptungen“ aufgestellt zu haben. Die Tweets des US-Präsidenten kamen überraschend, als dieser sich bereits seit mehreren Stunden auf dem Flug nach Singapur zum Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un befand (siehe Bericht unten). Trudeau hatte die Strafzölle der USA, die Trump mit nationalen Sicherheitserwägungen begründet hatte, als „beleidigend“ für Kanada bezeichnet, das an der Seite der USA in mehreren Kriegen kämpfe. Er hatte zudem erklärt, Kanada würde „höflich sein, aber sich nicht herumschieben lassen“. Dies hatte Trudeau seit Verhängung der US-Strafzölle vor zwei Wochen bereits mehrmals öffentlich gesagt.
Nun schlug Trump zurück. Wegen Trudeaus „falscher Behauptungen“ und wegen kanadischer Zölle auf Agrareinfuhren aus den USA habe er die US-Vertreter angewiesen, das Kommuniqué nicht zu befürworten. Zu diesem Zeitpunkt hatte er selbst aber der Abschlusserklärung bereits zugestimmt. Trump schob eine Drohung nach: Die USA dächten über Zölle auf Autos nach, „die den US-Markt überfluten“. Dies würde nicht nur Deutschland treffen: In Kanada wird eine große Zahl von Autos für den US-Markt gebaut. Trump warf Trudeau vor, auf dem Gipfel „bescheiden und mild“ aufgetreten zu sein, um dann nach seiner Abreise diese Aussagen über US-Zölle zu machen. „Sehr unehrlich und schwach“, so Trumps Tweet.
„Großer Vertrauensbruch“
Kanadas Regierung reagierte gelassen. „Wir fokussieren uns auf alles, was wir hier auf dem G7-Gipfel erreicht haben“, so ein Sprecher Trudeaus. „Der Premier sagte nichts, was er nicht schon vorher gesagt hatte – sowohl in der Öffentlichkeit als auch in privaten Unterhaltungen mit dem Präsidenten.“
Schärfere Worte kamen aus Berlin: „Man kann mit 280 Twitter-Zeichen in Sekundenschnelle Vertrauen zerstören“, sagte Außenminister Heiko Maas. Das Vertrauen wieder aufzubauen „wird viel länger dauern“. Als Konsequenz müssten die Europäer ihre Interessen künftig noch geschlossener nach außen vertreten und sich dabei auch mit den übrigen G7-Partnern Kanada und Japan eng abstimmen. Deutschland stehe zum vereinbarten Kommuniqué. „Frankreich und Europa bleiben bei ihrer Unterstützung für das Abschlusskommuniqué der G7“, hieß es auch aus Paris. Wer sich davon distanziere, beweise seine „Widersprüchlichkeit und Inkonsistenz“. EU-Ratspräsident Donald Tusk betonte: „Wir halten am Kommuniqué fest, so wie es von allen Teilnehmern vereinbart wurde.“
Was Trumps Rückzieher tatsächlich bedeutet, ist nicht abzusehen. Die Gipfelerklärungen sind rechtlich nicht bindende Dokumente, sie haben vor allem politisches Gewicht. Die G7-Erklärung wurde zwar nicht handschriftlich unterzeichnet, fand aber ursprünglich die Zustimmung aller Teilnehmer. Die Erklärung zeigt in Feldern wie Klima- und Ozeanschutz auch Dissonanzen innerhalb der G7-Gruppe, zu der Kanada, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und die USA gehören und an deren Beratungen auch EU-Spitzen teilnehmen.
Vor dem Trump-Tweet war es als Erfolg gesehen worden, dass sich die G7-Vertreter auf eine gemeinsame Abschlusserklärung hatten verständigen können. Angesichts der Kontroversen in der Handelspolitik, beim Klimaschutz und Kampf gegen die Verschmutzung der Ozeane war bis zuletzt nicht klar, ob ein Dokument verabschiedet werden würde, zumal Trump vor dem Ende des Gipfels abgereist war. Der Handelskonflikt um die von Trump verhängten Strafzölle auf Aluminium- und Stahlimporte aus Kanada, Europa und anderen Ländern hatte das Klima beim Gipfel erheblich belastet.
Daher wurde besonders um die Formulierungen im Handelskapitel gerungen. Deutschlands Kanzlerin, Angela Merkel, hatte als Richtschnur ausgegeben, nicht hinter frühere Vereinbarungen zurückzufallen, sodass sich die G7 zu einem „multilateralen, regelbasierten Handel“ bekennen. Ausdrücklich wird „die entscheidende Rolle eines regelbasierten Handelssystems“ unterstrichen, zudem wolle man „den Kampf gegen Protektionismus fortsetzen“. Ziel sei der Abbau von Zöllen, nicht tarifären Handelshemmnissen und Subventionen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2018)