Die Codes der Rechtsextremen

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Rosenkranz und der Holocaust: Die FPÖ-Präsidentschaftskandidatin übt die Kunst des „Durchlavierens“. Wie rechtsextreme Kreise mit Chiffren, Symbolen und Zahlen ihre Botschaften versenden.

WIEN. Als Barbara Rosenkranz, Präsidentschaftskandidatin der FPÖ, diese Woche gefragt wurde, ob sie die Existenz von Gaskammern in Zweifel stelle, stahl sie sich um eine Antwort herum: „Mein Geschichtsbild ist das eines Österreichers, der zwischen 1964 und 1976 in österreichische Schulen gegangen ist. An diesem Geschichtsbild habe ich keine Abänderung vorzunehmen.“

Es war das alte Lied. Wenn FPÖ-Politiker über den Nationalsozialismus sprechen, tun sie es bisweilen in codierter Form, die zweierlei zum Zweck habe: Nicht mit dem NS-Verbotsgesetz in Konflikt zu kommen – und nach innen trotzdem die richtigen Signale zu senden, sagt Brigitte Bailer-Galanda, Leiterin des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes (DÖW). „Ich akzeptiere die allgemeine Meinung“ sei hier eine beliebte Redewendung. Oder auch: „Ich nehme zur Kenntnis, was erforscht ist.“

Der Zeithistoriker Oliver Rathkolb nennt diese Form der Meinungsäußerung „ein System des Durchlavierens“, das er auf ein „massiv gestörtes Verhältnis“ zur Auseinandersetzung mit Hitler-Deutschland und damit auf die Erziehung zurückführt: „Man sieht, wie tief das sitzt. Es gibt Elitenkontinuitäten in der FPÖ, vererbt von den Vätern und von den Großvätern.“ Aus Strafprävention werde der Holocaust dann einerseits zwar nicht geleugnet, andererseits würden aber auch keine klaren Positionen bezogen.

Kalkulierter „Tabubruch“

Beispiele dafür gibt es genug, auch aus der Gegenwart. Für die Salzburger Landwirtschaftskammerwahl Ende Februar warb die Freiheitliche Bauernschaft mit dem Slogan „Reinrassig und echt“. Er fand sich, neben einer Kuh und dem Foto von Kandidat Alois Nußbaumer, auf den Plakaten, mit denen die „EU-Agrarknechtschaft“ gegeißelt wurde.

Weniger unverblümt stieß sich im Juni 2001 ein gewisser Ewald Stadler, damals FPÖ-Politiker, mittlerweile zum BZÖ übergelaufen, an den Behauptungen der „gnadenlosen Gutmenschen und Tugendterroristen“: „1945, und das ist zur Staatsideologie geworden, sind wir angeblich vom Faschismus und von der Tyrannei befreit worden“, polterte er– pikanterweise bei einer Sonnwendfeier der Familie Rosenkranz im niederösterreichischen Seebarn. Dahinter ortet der Historiker Rathkolb taktisches Kalkül: „Der Tabubruch stärkt intern die Gruppe und schafft nach außen hin Öffentlichkeit.“

Unvergessen ist auch Jörg Haiders Sager von der „ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“. Oder Heinz-Christian Straches Art und Weise, sich ein oder besser drei Bier zu bestellen: Auf einem Foto, das den jungen FPÖ-Chef mit ausgestrecktem rechten Arm zeigt, wollten seine Kritiker den Kühnengruß, eine Abwandlung des Hitlergrußes, erkannt haben.

Codes und Chiffren, Symbole und Zeichen seien „eine beliebte Masche“ im rechten bis rechtsextremen Lager, sagt Rathkolb. Er erinnert an die „Ostküste“ der Vereinigten Staaten, die im einschlägigen Sprachjargon keine geografische Bedeutung habe, sondern eine Anspielung auf jüdische Organisationen in New York sei. Wenn vom „amerikanischen Finanzkapital“ die Rede sei, werde immer auch eine jüdische Weltverschwörung im Hintergrund suggeriert.

Dass rechtsextreme Kreise auch eine Affinität zu Zahlenkombinationen haben, zeigte sich unter anderem, als Mitarbeiter des Dritten Nationalratspräsidenten, Martin Graf, im Vorjahr der Bestellung bei einem zweifelhaften deutschen Versand überführt wurden. Unter den Artikeln fand sich ein T-Shirt, das mit dem Reichsadler und der Zahl „88“ bedruckt war. Sie steht für den achten Buchstaben im Alphabet und wird als Code für „Heil Hitler“ verwendet.

„Die Zukunft der weißen Kinder“

Die Chiffren sind schier unerschöpflich: „19/8“ spielt auf den 19. und den achten Buchstaben an und meint „Sieg Heil“. „444“ drückt als Synonym für „Deutschland den Deutschen“ die Unerwünschtheit von Zuwanderern aus. „14 words“ geht auf ein Zitat des US-amerikanischen Rechtsterroristen David Lane zurück: „We must secure the existence of our people and a future for white children.“ Österreich wird gemeinhin als „Ostmark“ bezeichnet. Und mit „Mitteldeutschland“ sind die ostdeutschen Bundesländer gemeint, weil das „Großdeutsche Reich“ Ostpreußen einschließt.

Barbara Rosenkranz streift an solcherart Bezeichnungen nicht im Entferntesten an. „Sie war immer sehr vorsichtig“, sagt DÖW-Leiterin Bailer-Galanda. Für Rathkolb steht die Präsidentschaftskandidatin damit in der Tradition der FPÖ-Frauen: „Rosenkranz gehört dem rechten Rand an, aber sie kommuniziert sehr geschickt, ja fast schon klavierspielend.“ Nur der Geschichtsunterricht, auf den sich Rosenkranz in ihrer Äußerung berief, stellt für beide Wissenschaftler dann doch eine neue Dimension des systematischen „Durchlavierens“ dar. Denn in jener Zeit, in den 60er- und 70er-Jahren, sei der Holocaust in den Schulen noch weitestgehend verschwiegen worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2010)

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