Offener Machtkampf in Islamischer Glaubensgemeinschaft

Der mit Vorwürfen konfrontierte Präsident Ibrahim Olgun auf einem Archivbild.
Der mit Vorwürfen konfrontierte Präsident Ibrahim Olgun auf einem Archivbild.APA/HANS PUNZ
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Der Vizepräsident der IGGÖ wirft dem Präsidenten in einer Stellungnahme vor, die Schließungen von Moscheen initiiert zu haben und fordert seinen Rücktritt.

Das Vorgehen der Regierung gegen Moscheen und Imame hat in der Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) einen offenen Machtkampf ausgelöst. IGGÖ-Vizepräsident Abdi Tasdögen warf Präsident Ibrahim Olgun in einer Stellungnahme vor, die Schließungen von Moscheen initiiert zu haben und forderte Olguns Rücktritt.

Tasdögen und Olgun gehören jeweils einer anderen türkischen Fraktion innerhalb der IGGÖ an. Olgun gehört zur ATIB-Fraktion. Dieser türkische Moscheenverband genießt derzeit die Vormachtstellung in der Islamischen Glaubensgemeinschaft und gilt als verlängerter Arm der türkischen Religionsbehörde Diyanet sowie der AKP-Partei des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Tasdögen wiederum soll dem früheren IGGÖ-Präsidenten Fuat Sanac nahe stehen, dem eine Nähe zu den türkischen Nationalisten von Milli Görüs nachgesagt wird. Die Bewegung Milli Görüs ("Nationale Sicht") geht auf den 2011 verstorbenen türkischen Politiker Necmettin Erbakan zurück und ist in Deutschland der größte staatsunabhängige sunnitische Verband.

Moscheen-Schließungen mit Anzeige veranlasst?

Tasdögen hat Olgun immer wieder öffentlich kritisiert, so auch am Montag. In einer schriftlichen Stellungnahme wirft er Olgun vor, die Moscheen-Schließungen mit einer Anzeige beim Kultusamt veranlasst zu haben. Der Weg dorthin sei mit Präsident Olgun und der Regierung abgesprochen gewesen, "die Auflösung der Arabischen Kultusgemeinde sogar bezweckt. Insbesondere ist davon auszugehen, dass erst die Anträge des Präsidenten den Stein zum Rollen gebracht haben", so Tasdögen. Der Oberste Rat der IGGÖ sei in dieser Angelegenheit vom Präsidenten über Monate hin nicht informiert gewesen. In der Sitzung des Obersten Rates am Wochenende sei der Präsident von mehreren Rat-Mitgliedern sowohl schriftlich als auch mündlich aufgefordert, den vom Kultusamt erwähnten Schriftverkehr offenzulegen. "Präsident Olgun verweigerte jegliche Akteneinsicht."

Die Arabische Kultusgemeinde, die dem Präsidenten kritisch gegenüber steht, sei aufgelöst und ihre Moscheen geschlossen worden. Tasdögen vermutet, dass Schließungen weiterer Kultusgemeinden folgen könnten. Gleichzeitig sei eine neue Gemeinde, die Olgun nahestehen soll, gegründet worden. Fragen dazu sei der Präsident ausgewichen und habe die Sitzung unterbrochen, so dass weder die Presseaussendung noch der darin bekannt gegebene Drei-Punkte-Plan im Obersten Rat beschlossen worden seien.

"Aufgrund der oben genannten satzungswidrigen Handlungen des Präsidenten, haben Mitglieder des Obersten Rates ihn aufgefordert, vom Amt zurückzutreten und mitgeteilt, den Fall dem Schurarat der IGGÖ zu übertragen", erklärte Tasdögen.

Tasdögens Stellungnahme im Wortlaut

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Erklärung des Präsidenten wirft einige Fragen auf, die ich im Folgenden skizzieren möchte: Aus einem Schreiben des Kultusamts vom 11. Mai 2018, das dem Obersten Rat und dem Vorsitzenden des Schurarates der IGGÖ nunmehr vorliegt, geht hervor, dass die IGGÖ am 10. August 2017 den Verdacht an das Kultusamt herantrug, dass „mehrere Kultusgemeinden“ die rechtlichen Anforderungen an eine Kultusgemeinde nicht erfüllen würden und wahrscheinlich auch nie erfüllt haben sollen. Die IGGÖ sei daraufhin am 16. August 2017 vom Kultusamt aufgefordert worden, diese Behauptungen zu belegen. Am 30. August 2017 habe die IGGÖ dem Kultusamt schließlich einen Erhebungsbericht übermittelt. Darin sei unter anderem vorgetragen worden, dass manche Einrichtungen nicht als Moscheen im Sinne der Verfassung bezeichnet werden können.

Insofern scheinen die oben genannten Anträge des Präsidenten sowie die Informationen, die vom Präsidialbüro dem Kultusamt überliefert wurden, letztlich zur Auflösung der Moscheen und der arabischen Kultusgemeinde geführt zu haben. Die Regierungsmitglieder haben diese Vorgangsweise am Freitag gelobt und auf die enge Zusammenarbeit mit der IGGÖ verwiesen.

In der Presseerklärung des Präsidenten sowie im Interview mit den türkischen Medien wird der Anschein erweckt, dass keine Korrespondenz mit der IGGÖ erfolgt sei. Dies mag in Bezug auf den finalen Maßnahmenkatalog der Bundesregierung zutreffen. Der Weg dorthin scheint allerdings mit Präsident Olgun abgesprochen zu sein; die Auflösung der Arabischen Kultusgemeinde sogar bezweckt. Insbesondere ist davon auszugehen, dass erst die Anträge des Präsidenten den Stein zum Rollen gebracht haben.

Jedenfalls ist festzuhalten, dass der Oberste Rat der IGGÖ in dieser Angelegenheit vom Präsidenten Ibrahim Olgun über Monate hin nicht informiert wurde. In der Sitzung des Obersten Rates vom 9.6.2018 wurde der Präsident von mehreren OR-Mitgliedern sowohl schriftlich als auch mündlich aufgefordert, den vom Kultusamt erwähnten Schriftverkehr offenzulegen. Präsident Olgun verweigerte jegliche Akteneinsicht. Diese Vorgehensweise trifft auch auf andere Entscheidungen des Präsidenten zu. Die Anträge des Präsidenten betreffen gemäß Schreiben vom 10. August 2017 offensichtlich weitere Kultusgemeinden. Das würde auch der Ankündigung der Bundesregierung entsprechen, dass es weitere Moscheeschließungen geben wird. Der Präsident blieb hierzu eine Antwort schuldig. Auch ist bekanntgeworden, dass im Sommer 2017 auf Anordnung des Präsidenten eine weitere Kultusgemeinde gegründet worden ist. Der Frage, was mit der Schließung der Arabischen Kultusgemeinde, die dem Präsidenten kritisch gegenüberstand, und gegebenenfalls weiteren Kultusgemeinden, sowie der Gründung einer Kultusgemeinde, die ihm nahesteht, bezweckt wurde, ist er ausgewichen. Der Präsident unterbrach die Sitzung im Anschluss, so dass weder die Presseaussendung vom 10.6.2018 noch der nun bekanntgegebene Drei-Punkte-Plan im Obersten Rat beschlossen werden konnte. Der Drei-Punkte-Plan geht aus unserer Sicht nicht weit genug. Im Bezug auf die Moscheeschließungen ist es notwendig den Verfassungsgerichtshof anzurufen und das Islamgesetz auf seine Verfassungskonformität hin überprüfen zu lassen.

Aufgrund der oben genannten satzungswidrigen Handlungen des Präsidenten, haben Mitglieder des Obersten Rates ihn aufgefordert, vom Amt zurückzutreten und mitgeteilt, den Fall dem Schurarat der IGGÖ zu übertragen.

Abdi TAŞDÖĞEN Vizepräsident der IGGÖ

(APA)

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