Sozialversicherung: Ärzte "bekommen keinen Termin" bei Kurz

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Symbolbild (c) Clemens Fabry (Presse)
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Ärztevertreter kritisieren das Vorgehen der Regierung: Scheinbar treffen Kanzler und Vizekanzler die Entscheidungen, die Gesundheitsministerin werde bloß vor geschickt.

Die türkis-blaue Regierungsspitze zeige kaum Bereitschaft mit den Ärztevertretern in den Dialog über die geplante Reform im Sozialversicherungsbereich zu diskutieren. Es sei nicht möglich, einen Termin zu bekommen, beanstandeten am Montag die Unterstützer der "Salzburger Deklaration". Vorarlbergs Ärztekammer-Präsident Michael Jonas stellte den Vertrag mit der Krankenkasse überhaupt infrage: "Wenn uns die Geschäftsgrundlage entzogen wird, das System weiterzuentwickeln, bleibt uns nichts anderes übrig, als eine Vertragskündigung in Erwägung zu ziehen." Denn entgegen dem Slogan der Regierung, man spare im System und nicht beim Menschen, seien allein durch das Einfrieren der Geldmittel auf den Stand von 2017 bereits jetzt negative Auswirkungen auf die Versicherten zu erwarten. In Vorarlberg würden so 20 Millionen Euro fehlen.

Jonas' oberösterreichischer Kollege Peter Niedermoser schlug in dieselbe Kerbe: Ohne Mitbestimmung "hat der Vertrag keinen Sinn mehr". Manche Dinge "aus Wien" wolle er auch "gar nicht mitverantworten". Gefragt, ob er und Jonas damit auch für die sieben anderen - bei der Pressekonferenz nicht anwesenden - Ärztekammer-Präsidenten sprechen, meinte er sinngemäß: Wenn sogar die zurückhaltenden Vorarlberger so etwas in den Raum stellten, heiße das schon etwas.

Regierungsspitze "möchte nicht mit uns sprechen"

Niedermoser kritisierte zudem, dass es höchstens Gespräche mit Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) gebe, die Entscheidungen aber ganz offensichtlich von Kanzler, Vizekanzler und den Regierungskoordinatoren getroffen würden. Und die Regierungsspitze "möchte nicht mit uns sprechen", so Niedermoser. "Wir haben um einen Termin angesucht, aber wir bekommen keinen." Ähnlich war auch der Tenor der anderen Pressekonferenz-Teilnehmer.

Josef Harb, Obmann der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse, wies darauf hin, dass die Regierung erst kürzlich die Zahl der Prüfer und Details zu den Verträgen der leitenden Angestellten angefordert habe. "Das überführt sie jetzt", meinte er in Richtung Bundesregierung - man habe also bereits Einsparungsziele verkündet ohne die Grundlagen zu kennen. Harb erwartet einen "Schritt von der Selbstverwaltung hin zur Fremdverwaltung", bei der es nur um eine "Umfärbe-Aktion" gehe. Auch der oberösterreichische Arbeiterkammerpräsident und Vizepräsident der Bundesarbeiterkammer, Johann Kalliauer, vermutet parteipolitische Erwägungen hinter den Zentralisierungsplänen. Denn die Frage, was für die Versicherten nachher besser sein soll, sei "bisher nicht beantwortet worden".

Das System der Selbstverwaltung sei das weltweit kostengünstigste und jenes, das am nächsten beim Menschen sei, betonte OÖGKK-Obmann Albert Maringer. Laut einer Studie der LSE Consult aus dem Jahr 2017 liege der Anteil der Verwaltungskosten der OÖGKK bei zwei Prozent. Private Versicherer hätten einen in der Größenordnung von 30 Prozent, ergänzte Harb. "Es ist aus unserer Sicht ganz klar, dass dem System Geld entzogen werden soll", so Maringer. In Oberösterreich seien das 266 Millionen Euro sofort und "wenn wir uns einfrieren lassen auf das Budget von 2017, gehen jedes Jahr 60 Millionen Euro verloren".

Salzburger Deklaration

Die Ende März verabschiedete "Salzburger Deklaration" verlangt unter anderem den Erhalt der regionalen Krankenversicherungen und der Selbstverwaltung sowie der autonomen Finanzierung. Sie wird mittlerweile von allen Gebietskrankenkassen unterstützt, ebenso von Arbeiter- und Ärztekammern der Länder sowie rund 140 weiteren Organisationen. Gefordert wird der Erhalt der regionalen Krankenversicherungen.

(APA)

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