Büroporträt

Wie arbeitet ein Interieur Designer?

Eine Schneiderpuppe hilft Severin Weber-Kippes bei der Visualisierung seiner Projekte.
Eine Schneiderpuppe hilft Severin Weber-Kippes bei der Visualisierung seiner Projekte. Die Presse (Carolina Frank)
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Schöner arbeiten Büros sollten keine Hierarchien widerspiegeln und Wohnräume sollten sich nicht an Trends klammern. Willkommen in Severin Weber-Kippes Homeoffice.

Die "Open Office"-Serie meldet sich nach kurzer Frühjahrsmüdigkeit zurück. Dieses Mal besuchen wir den Wiener Interieur Designer Severin Weber-Kippes in einem Josefstädter Altbau. Ursprünglich war das hoch gelegene Büro sein "Bachelor Pad", seine Junggesellenbude. Aber keine Spur junger Wildnis, heute ist es die Verlängerung seiner Wohnung. Einmal am Gang umfallen reicht und man steht im Vorzimmer. Sein Büro ist fein komponiert und ausgestattet mit Jadepinseln aus Peking, Architekturboards und einer Schneiderpuppe. Collagen von Textilien und Tapeten bewachen alle Ecken.

Auf einem guten Schreibtisch sind drei Dinge wichtig: Platz, Platz und Platz.
Auf einem guten Schreibtisch sind drei Dinge wichtig: Platz, Platz und Platz. Die Presse (Carolina Frank)

Während Weber-Kippes' Arbeitsplatz noch verhältnismäßig ruhig ist, geht auf der gegenüberliegenden Seite die Post ab. Da springt eine Tapete von Kelly Wearstler aus dem finnischem Vintage-Regal. Samt-Puffs schmeicheln sich farblich an die frischen Tulpen am runden Tisch. Wir stehen in der 3-D-Version eines Wohn-Magazins. Deutlich wird hier die Vorliebe des Designers für Mid-Century-Möbel, die jetzt (leider) auch im Mainstream angekommen sind. "Mir haben Vintagemöbel zum Glück immer schon gefallen, ich habe sie ausgegraben, als sie noch nicht viel gekostet haben. Mittlerweile hat selbst das Caritaslager schon Preise - da schnallt man ab."

Was kommt nach den Fifties?

Nach der "Mad Man"-Ära könnte es weiter in Richtung 70er/80er gehen. Globiges, glänzendes, schweres Design kommt zurück. Dafür braucht man viel Raum.

Hinter dem Regal eine Tapete von Kelly Wistler.
Hinter dem Regal eine Tapete von Kelly Wistler.Die Presse (Carolina Frank)

Zurück in die Gegenwart, die trägt hier Jadetöne. Willkommen im "Mock-up-Room", hier kann man "Probefühlen" (nächstes Bild). Nach der Besprechung mit einem Kunden kommt beim Interieur Designer meist schnell ein Moodboard ins Spiel, das viele Ausprägungen haben kann. Traditionell sind es Architekturboards, die wie eine Stilcollage entstehen. Bei Weber-Kippes ist es auch eine Schneiderpuppe, die das zukünftige Wohnen visualisiert. Mit Mode hat er allerdings nicht übermäßig viel zu tun. "Ich kann eine Nähmaschine peripher bedienen", sagt er. Knopf annähen geht. Bescheidenheit ist auch die Philosophie, die ihm an den Designklassikern der 50er Jahre gefällt. "Hinter dem 50s-Style steht eine Revolution. Leistbare Massenproduktion für alle. Davor hat man Möbel geerbt. In der Nachkriegszeit wurde klein gebaut, die Dimensionen der Möbel mussten passen."

Tipps für die Einrichtung

1. Bei Wohntextilien kann man sich trauen, am Puls der Zeit zu bleiben, empfiehlt der Interieur Designer. Kissen und Decken sind schnell ersetzt und kosten nicht so viel.

2. 50s-Möbel sind zum Beispiel in Mode, wer nicht wirklich dahinter steht, sollte Abstand halten und auf zeitlose Klassiker setzen.

3. Nicht zuerst streichen und danach die Möbel dazu passend aussuchen. Zuerst kommt das Textil, dann die Farbe für die Wände.

Der Mock-up-Room macht das Einrichtungskonzept greifbar.
Der Mock-up-Room macht das Einrichtungskonzept greifbar. Die Presse (Carolina Frank)

Passen müssen auf seinem Arbeitsplatz vor allem die Schreibtischdimensionen. "Bei mir braucht ein Tisch sehr viel Tiefe, damit ich Tapeten, Stoffmustert und Pläne gut ausbreiten kann." Generell sollte man bei der Tischwahl auch immer auf die Größe des Bildschirms achten, auf dem man arbeitet, aus ihm ergibt sich die nötige Distanz und somit auch die Größe des Tisches. Worauf legt der Designer persönlich am meisten Wert in seinem Büro? Die Akustik. "Das hängt mit meiner Zeit bei dem Möbelhersteller Habitat in London zusammen, dort habe ich in einem Loft gearbeitet, in dem konnte man kein ruhiges Telefonat führen. Die richtige Akustik kann auch in einem Großraumbüro für Privatsphäre sorgen." Und dabei müsse man gar keine Wissenschaft aus perfekten schallisolierenden Tools machen, es geht auch ganz banal. "Der Absorptionsindex ist manchmal einfach nur ein Marketinggag. Teppiche und Vorhänge schlucken viel Schall, das reicht in den meisten Fällen."

Zwei Arbeitsplätze sind besser als einer.
Zwei Arbeitsplätze sind besser als einer.Die Presse (Carolina Frank)

Arbeitsplätze zu gestalten, ist für Severin Weber-Kippes allgemein aber ein schwieriges Thema. "Der größte Aspekt beim Thema Homeoffice sind die Digitalisierungsfragen. Die letzte Instanz ist das Mobiliar, die technische Infrastruktur und der Schutz des geistigen Eigentums ist wichtiger. "Hochkreative oder sehr exponierte Menschen legen darauf Wert, dass alles abhörsicher ist. Da muss ich mit externen Experten arbeiten." Sicherstellen sollte man zuerst auch immer, ob der Handyempfang wirklich passt. Beim Eichrichten kommt es laut Weber-Kippes dann darauf an, ob es ein Coworking-Space ist oder nicht. "Ich glaube persönlich, dass dieses Modell aber ein Trend ist, der wieder geht. Es ist wohl nicht das beste für die Seele des Menschen. Was ich umgekehrt aber schade finde ist, wenn Büros die Hierarchien eines Unternehmens widerspiegeln. Der Coworking-Space ist hier wiederum ein sehr egalitärer Zugang." 

Tipps fürs Büro

Büros sollten eine Botschaft senden: Was ist die Dienstleistung, das Produkt, die Firmenphilosophie? Einrichtung kann ein Gefühl erzeugen und eine Botschaft kommunizieren. Diese Message sollte aber nicht zu elitär sein - außer natürlich man verkauft Luxus oder will seine Kunden einschüchtern.

Vieles dreht sich um die Visualisierung von Ideen.
Vieles dreht sich um die Visualisierung von Ideen.Die Presse (Carolina Frank)

Für einfache Lösungen beim Einrichten via Online-Möbelversand hat der Interieur Designer erwartungsgemäß wenig warme Gefühle. " Schwierig wird es für den Konsumenten im Schadensfall, wenn man z.B. Möbel, Lampen oder Accessoires im Internet gekauft hat, sagt er. "In meinem letzten Projekt entschloss sich ein Kunde ein Vintage-Sideboard über einen Internet-Händler, der im Ausland firmiert, einzukaufen. Das Möbel schien auf den ersten Blick günstiger als ein vergleichbares von einem Wiener Laden. Allerdings kam es mit den Frachtkosten, dem Kleingedruckten, fast auf den selben Preis. Und verschickt wurde es unsachgemäß verpackt mit einem Packet-Spediteur, der natürlich nur bis zur Bordsteinkante liefert. Fazit: Vintage-Möbel am Gehsteig bei Nieselregen abgestellt. Die Reklamation dauert leider meines Wissens bis heute an."

Zudem birgt der Accessoire- und Billigmöbel-Boom eine dunkle Seite, die wir aus der Mode kennen. "Diskontdesigner gewöhnen die Leute an billige Produktionen. Es ist nicht zwingend billiges Design, aber produziert werden die Möbel unter widrigen Bedingungen in Bangladesch und anderen Entwicklungsländern". Außerdem ist laut Weber-Kippes eine allgemeine Beschleunigung an Einrichtungstrends zu bemerken. "Die Zyklen, die wir aus der Mode kennen, zeigen sich immer mehr auch im Interieur. Ganz stark merkt man es im Heimtextilienbereich. Es gibt Verlage, die bringen zwei Kollektionen (Herbst/Winter, Frühling/Sommer) heraus - das ist sehr nah an der Mode."

Zur Person

Severin Weber-Kippes arbeitet seit 2008 als Interieur Designer. Nach Auslandsjahren in Paris und London ist die Wiener Josefstadt sein Arbeitsmittelpunkt. Weitere Infos über ihn und seine Arbeit finden Sie hier www.severinweberkippes.com.

Mix and match.
Mix and match.Die Presse (Carolina Frank)

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