Korea-Verhandlungen: Chinas Staatschef Xi als unsichtbarer Gast

Der chinesische Staats- und Parteichef, Xi Jinping, zog vor den Verhandlungen in Singapur immer wieder im Hintergrund die Fäden. Peking zeigt sich selbstbewusst: Ohne China könne ein Korea-Abkommen nicht funktionieren.
Der chinesische Staats- und Parteichef, Xi Jinping, zog vor den Verhandlungen in Singapur immer wieder im Hintergrund die Fäden. Peking zeigt sich selbstbewusst: Ohne China könne ein Korea-Abkommen nicht funktionieren. (c) imago/Xinhua
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Offiziell sitzt beim Gipfel zwischen Trump und Kim kein Vertreter Pekings am Tisch. Doch Nordkorea und China spielen sich schon länger die Bälle zu.

Peking. Soldaten mit Schlagstöcken patrouillieren in der Abfertigungshalle. Alle paar Meter stehen bewaffnete Polizeieinheiten. Wegen der verschärften Kontrollen bilden sich an den Eingängen lange Schlangen. Seit Wochen herrscht am Terminal 3 des Internationalen Flughafens von Peking immer wieder höchste Sicherheitsstufe. Der Grund: Der Flughafen hat sich zum Drehkreuz entwickelt – für die Nordkorea-Diplomatie.

Vor knapp zwei Wochen war ein Verhandlungsteam des Weißen Hauses auf dem Weg nach Pjöngjang zur Zwischenlandung in Peking. Ein paar Tage später flog der nordkoreanische Parteifunktionär und frühere Geheimdienstchef Kim Yong-chol in die USA, um dort US-Außenminister Mike Pompeo zu treffen – ebenfalls mit Zwischenstopp in Peking. Dann die vielen Treffen zwischen chinesischen und nord- und auch südkoreanischen Regierungsvertretern. Wenige Tage vor dem Gipfel am Dienstag zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber, Kim Jong-un, liefen die diplomatischen Maschinen auf Hochtouren. Trump forderte von Nordkorea die komplette Aufgabe aller Atomwaffen. Das Kim-Regime forderte eine Sicherheitsgarantie – und will die Aufgabe der Sanktionen und Wirtschaftshilfe erzielen.

Chinas Führung ist bei dem Treffen in Singapur zwar nicht vertreten. Doch Peking setzt alles daran, bei einer möglichen Annäherung Nordkoreas an die USA und einer sich daraus ergebenen Neuordnung in Ostasien dennoch mitzureden. Dafür sorgt nicht zuletzt auch Kim.

Ein harter Schlag für Pjöngjang

China und Nordkorea gelten zwar traditionell als enge Verbündete. Doch Nordkoreas Atom- und Raketentests der vergangenen Jahre hatten die Beziehungen zum großen Bruder schwer belastet. Seit der junge Kim vor fünf Jahren an die Macht gekommen war, hatte er dem Nachbarn zunächst nicht einen Besuch abgestattet. Peking wiederum stimmte im UN-Sicherheitsrat für die von den USA eingebrachten Sanktionen. Für das Regime in Pjöngjang war das ein besonders harter Schlag. 90 Prozent seines Außenhandels liefen über China.

Dann kam zu Beginn des Jahres Kims Charmeoffensive und seine erstmals geäußerte Bereitschaft, einer Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel grundsätzlich zuzustimmen. Die Definition darüber, was das konkret heißt, ging unter den Konfliktparteien zunächst jedoch weit auseinander.

Nach offizieller Lesart begrüßt Chinas Führung den Gipfel. Der chinesische Außenamtssprecher sprach von einer „historischen Chance auf Frieden in der Region“. Er riet beiden Seiten, „sich mit Freundlichkeit und Aufrichtigkeit zu begegnen und günstige Bedingungen für das Treffen der Führer beider Länder zu schaffen“.

Und tatsächlich ist eine Denuklearisierung auf der koreanischen Halbinsel auch im Sinne Chinas. Peking hatte noch bis Ende des vergangenen Jahres befürchtet, bei einer weiteren Verschärfung des Konfliktes könnten Südkorea und Chinas Erzfeind, Japan, Nordkoreas nukleare Aufrüstung zum Anlass nehmen, mithilfe der USA ihrerseits massiv aufzurüsten. Die 30.000 bereits in Südkorea stationierten US-Soldaten sind Peking ein Dorn im Auge. China will den US-Einfluss in der Region eindämmen.

US-Plan ging zunächst nicht auf

Im Zuge von Kims Charmeoffensive gab es in Peking zwischenzeitlich jedoch die Befürchtung, China könnte bei der Annäherung außen vor gelassen werden. Im Sinne Trumps wäre das. Ein wesentliches Ziel Washingtons mit der Sanktionspolitik gegen Nordkorea bestand schließlich darin, einen Keil zwischen Peking und Pjöngjang zu treiben.

Doch den Plan hat Kim inzwischen vereitelt. Seit März hat Nordkoreas Machthaber dem großen Nachbarn gleich zwei Besuche abgestattet. Mit Erfolg: Offiziell behauptet Peking zwar, die Sanktionen würden weiter gelten. De facto läuft der chinesisch-nordkoreanische Grenzhandel seit einigen Wochen wieder. Und auch die staatliche Fluggesellschaft Air China hat den regulären Flugbetrieb nach Pjöngjang wieder aufgenommen.

Spätestens Kims zweites Treffen mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping im Mai war kein vorsichtiges Herantasten mehr. Washington bekam Pekings Einfluss auf Kim unmittelbar zu spüren. Nach Kims Stippvisite in der nordchinesischen Hafenstadt Dalian reagierte der Diktator wieder sehr viel härter auf Trumps Prahlerei, der sich damit brüstete, den Konflikt zugunsten der USA gelöst zu haben. Kim drohte mit Absage. Prompt gab Trump Peking die Schuld daran und sagte seinerseits den Gipfel ab. Keine 24 Stunden später relativierte Trump seine Aussage. Jetzt heißt es aus dem Weißen Haus: Kim habe um den Gipfel „gebettelt“.

Nun hat Trump Kim vorgeschlagen, es in Singapur keineswegs bei einem freundlichen Handschlag zu belassen, sondern ganz konkret ein Friedensabkommen miteinander abzuschließen. Der südkoreanische Präsident, Moon Jae-in, könnte rasch eingeflogen werden. China soll nicht dabei sein.

Kim spielt Karten geschickt aus

Die chinesische Führung reagiert darauf selbstbewusst. In einem Leitartikel der Staatszeitung „Global Times“ hieß es vergangene Woche: Chinas Beteiligung sei unumgänglich. Jeder Deal zur formalen Beendigung des jahrzehntelangen Konflikts sei „sicherer“, wenn China dabei ist. Werde Peking nicht ausreichend eingebunden, sei jedes Abkommen zum Scheitern verurteilt. Das klingt nach einer Drohung.

Für Kim ist das eine weitere Karte, die er in Singapur sicherlich geschickt auszuspielen versucht. Und so gibt es bei dem Gipfel am Dienstag zwischen US-Präsident Trump und Nordkoreas Diktator, Kim, einen unsichtbaren Dritten. Sein Name: Xi Jinping.

Auf einen Blick

China und Nordkorea gelten traditionell als enge Verbündete. Doch die nordkoreanischen Atom- und Raketentests der vergangenen Jahre hatten die Beziehungen der nordkoreanischen Führung zum großen Bruder schwer belastet. So stimmte China im UN-Sicherheitsrat zunächst für die von den USA eingebrachten Sanktionen. Für das Regime in Pjöngjang war das ein besonders harter Schlag. Dann kam die Charmeoffensive des nordkoreanischen Diktators, Kim Jong-un, gegenüber den USA und Südkorea. In Peking sorgte man sich, China könnte nun außen vor gelassen werden, und arbeitete erfolgreich dagegen. Seit März hat Kim China schon zwei Mal einen Besuch abgestattet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2018)

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