Schuldbekenntnis der Bischöfe: Aufruf an Missbrauchsopfer

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Kardinal Schönborn: „Scham und Trauer“ über Umgang mit Taten. Gleichzeitig verwahrte er sich gegen Pauschalverdächtigungen gegen Priester, Laien oder die Kirche als Ganze.

WIEN (d.n.). Österreichs Bischöfe haben sich gleichsam ihr Büßergewand übergeworfen. Sie haben eingestanden, dass in der Vergangenheit Fehler im Umgang mit den Tätern sexuellen Missbrauchs begangen wurden und ein Vierpunkteprogramm beschlossen, mit dem der Kampf gegen Missbrauch verschärft werden soll. Opfer sexuellen Missbrauchs werden ausdrücklich aufgerufen, sich an die Ombudsstellen der Diözesen zu wenden (Wien, Tel.: 01/319 664 524).

„Fälle von sexuellem Missbrauch wurden oft verschwiegen. Für solche Vorkommnisse kann es nur Reue, Bitte um Vergebung und Bemühen um Heilung der Wunden geben. Leider wurden in der Vergangenheit zu Unrecht in der Kirche die Täter oft mehr geschützt als die Opfer. Mit Scham und Trauer stellen die Bischöfe fest, dass sich erst in den letzten Jahren in der Kirche in Österreich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass bei Missbrauchsvorwürfen nichts anderes zählt als die Wahrheit.“ Diese Erklärung hat am Freitag Kardinal Christoph Schönborn als Vorsitzender des Episkopats verlesen.

Die Frühjahrstagung der Bischöfe in St.Pölten und auch die Pressekonferenz einen Tag nach Abschluss der Beratungen waren entgegen den ursprünglichen Planungen ganz im Zeichen der Missbrauchsfälle gestanden, die zuletzt vor allem in Deutschland publik wurden. Bis zur Sommerkonferenz in Mariazell soll eine Projektgruppe aus Experten, deren Namen Schönborn nicht nennen wollte („Sie sollen in Ruhe arbeiten können“), ein detailliertes Gesamtkonzept zum noch wirksameren Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs ausarbeiten.

Die vier Eckpunkte, die die Bischöfe vorgeben, im Detail („Die Presse“ hat über die Grundzüge der Beschlüsse bereits exklusiv in ihrer Freitag-Ausgabe berichtet):
Erarbeitung österreichweit gültiger Standards und Regeln; Basis soll das „Wiener Modell“ mit einer personell breit aufgestellten Ombudsstelle und einem Regulativ zur Verhinderung sexuellen Missbrauchs sein;
Zusammenarbeit der Ombudsstellen über die Grenzen der Diözese hinweg;
Einbindung aller Orden in die Zuständigkeit der Anlaufstellen für Opfer;
Verstärkung der Prävention durch Aus- und Weiterbildung der kirchlichen Mitarbeiter (unabhängig davon, ob angestellt oder ehrenamtlich).

Schönborn bekräftigte die heutige Praxis beim Auftauchen eines Verdachts gegen einen Kirchenmitarbeiter: Zunächst erfolge die sofortige Dienstfreistellung bis zum Ablauf der Verfahren. Bei einer Verurteilung folgt für einen Priester ein kirchenrechtliches Verfahren in Rom, an dessen Ende die Rückversetzung in den Laienstand stehen kann – und auch manchmal tatsächlich steht. Wie erst ganz aktuell in dieser Woche bei einem Priester, der eine mehrjährige Gefängnisstrafe abzubüßen hatte. Das entsprechende Dekret aus dem Vatikan platzte in die noch tagende Bischofskonferenz.

Gleichzeitig verwahrte sich Schönborn gestern gegen Pauschalverdächtigungen gegen Priester, Laien oder die Kirche als Ganze. Dies sei als ungerechtfertigt zurückzuweisen. Er räumte ein, dass gerade für die katholische Kirche hohe ethische Ansprüche gelten, an denen sie zu Recht gemessen werde. Umso mehr wolle sie mit allen in der Gesellschaft zusammenarbeiten, um Missbrauch zu verhindern. Und ganz gegen Ende seiner Ausführungen zu diesem Themas konnte sich der Kardinal einen Hinweis nicht versagen: Die meisten Fälle sexuellen Missbrauchs fänden im familiären Umfeld und in anderen Bereichen außerhalb der Kirche statt.

Übrigens: Indirekt hat der Kardinal den „Presse“-Recherchen recht gegeben, wonach es im Vorjahr acht Fälle sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche Österreichs gegeben hat. Die (später) von der Erzdiözese Wien genannte Zahl von österreichweit 17 Fällen im Jahr 2009 seien in den Medien missverstanden worden. Da seien auch bloße Verdachtsfälle, die sich als unrichtig herausgestellt hätten, mitgezählt worden, so Schönborn.

Zum „Presse“-Bericht über die Pfarrgemeinderatsstudie (Zukunftsängste der Mitarbeiter, absolute Mehrheit gegen den Zölibat) merkte der Erzbischof an, es gebe eine „ganz hohe Zufriedenheit“ unter den 30.000 Ehrenamtlichen. Der Kongress der Pfarrgemeinderäte von 13. bis 15. Mai in Mariazell sei ein Zeichen der Dankbarkeit und Ermutigung.

www.stephanscom.at/service/ombudsstelle

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2010)

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