Pöchhacker: „Die ÖVP will die ÖBB vernichten“

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Die Steuernachforderungen von ÖVP-Finanzstaatssekretär Lopatka seien ein „ernstes Problem“, sagt der Bahn-Aufsichtsratschef. Lopatka verlangt in Summe rund eine Mrd. Euro.

Wien. In der ÖBB-Aufsichtsratssitzung am kommenden Dienstag wird nicht nur die Neuordnung des Vorstands der heimischen Staatsbahn besprochen – wie „Die Presse“ berichtete, wird Verbund-Vorstand Christian Kern neuer ÖBB-Chef und Franz Seiser, Chef der Bahn-Tochter „Technische Services“, Nachfolger von ÖBB-Vorstand Gustav Poschalko. Themen sind auch die Abgabennachforderungen der Finanz für vergünstigte Tickets der ÖBB-Mitarbeiter und die nicht rechtskonforme Abrechnung von Pflegegeldern für Bahnpensionisten. Vor allem Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) schoss sich dabei zuletzt auf die ÖBB ein. Er verlangt in Summe rund eine Mrd. Euro und verglich die Bahn mit einem „Fass ohne Boden“.

Nun holt der SPÖ-nahe ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker zum Gegenschlag aus: „Die ÖVP und Reinhold Lopatka wollen die ÖBB vernichten“, sagt er zur „Presse“. Die geforderte Summe von einer Mrd. Euro sei nämlich „weit überzogen“. Müsste die Bahn Rückstellungen in dieser Höhe bilden, dann wäre das ein „ernstes Problem für die Eigenkapitalquote“ und würde somit die „Existenz des Unternehmens gefährden“.

„Lopatka spricht zudem ständig von der Konkursreife des Unternehmens. Das ist fahrlässig und schädigt die Marke ÖBB. Bei einem privaten Unternehmen hätte es schon längst eine Klage gegeben“, so Pöchhacker weiter. Den Grund für diese „Anti-ÖBB-Kampagne“ hat Pöchhacker auch parat: Die ÖVP revanchiere sich damit dafür, dass Ex-Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka (ÖVP) nicht die Nachfolge von Eduard Saxinger im ÖBB-Aufsichtsrat antreten durfte.

Streit um Aufsichtsratsposten

Der ÖVP-nahe Saxinger trat im Sommer des vergangenen Jahres von der Position des stellvertretenden ÖBB-Aufsichtsratschefs zurück. In der schwarzen Reichshälfte sah man es als logisch an, dass man seinen Nachfolger bestimmen darf – die Wahl fiel auf Kukacka. Dieser ist seit der Zeit der ÖBB-Reform im Jahr 2004 jedoch eine Persona non grata für die ÖBB-Gewerkschaft, weshalb die SPÖ ihn abgelehnt hat. Und nachdem man sich über Monate hinaus nicht einigen konnte, sorgte Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) im Jänner für vollendete Tatsachen und bestellte den ehemaligen Manager der Schweizer Bundesbahnen, Paul Blumenthal. In der ÖVP kommentierte man das als „Kriegserklärung“.

Für die ÖVP ist aber auch Pöchhacker selbst ein rotes Tuch. Er sorge dafür, dass in der Bahn vor allem SPÖ-nahe Manager zum Zug kommen, heißt es. Dies trifft auch bei der Entscheidung am kommenden Dienstag zu. Sowohl Kern als auch Seiser werden in der politischen Farbenlehre der SPÖ zugerechnet. Von Pöchhacker werden diese Vorwürfe jedoch zurückgewiesen: „Ich habe noch nie jemanden nach seinem Parteibuch gefragt. Bei Bestellungen gibt es objektive Kriterien. Es kann aber auch kein Hinderungsgrund sein, wenn sich zufällig fähige Leute mit einer Parteizugehörigkeit anbieten.“

Doch manche Kritikpunkte an den ÖBB der jüngsten Zeit kann auch der Bahn-Aufsichtsratschef nicht auf eine parteipolitisch motivierten Kampagne schieben. So ist das niedrige Pensionsantrittsalter der Eisenbahner seit Jahrzehnten ein Fakt. „Die große Zahl an Frühpensionierungen startete aber unter Schwarz-Blau. Das kann die ÖVP nun nicht beklagen. Und die Anforderung, das Pensionsantrittsalter zu heben und gleichzeitig schlanker zu werden ist ein Widerspruch. Den muss das Management nun aber auflösen“, sagt Pöchhacker.

„Das Geld ist nicht verloren“

Und auch die jährlichen Kosten, die die ÖBB verursachen (Zuschüsse für den Betrieb, ÖBB-Pensionen und Haftungen für den Ausbau) in Höhe von rund sechs Mrd. Euro stimmen. „Aber es gibt ebenfalls eine falsche Wahrnehmung. Die Pensionszahlungen kann man dem jetzigen Management nicht vorwerfen. Und beim Infrastrukturausbau werden Werte geschaffen. Das als verlorenes Geld hinzustellen, ist nicht richtig.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2010)

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