Vor der Urteilsverkündung am Donnerstag wurde allen Angeklagten das Recht auf ein letztes Wort gewährt. Alle fünf gaben an, nicht gewollt zu haben, dass die Flüchtlinge im Kühl-Lkw erstickten.
Bei dem Prozess in Ungarn gegen die Schlepperbande, die für das Flüchtlingsdrama auf der A4 bei Parndorf verantwortlich sein soll, haben die Angeklagten am Dienstag von ihrem Recht auf das letzte Wort Gebrauch gemacht und um milde Strafen gebeten. Der Erstangeklagte sagte, er habe die Tragödie nicht gewollt. "Ich drücke den Angehörigen mein Beileid aus und bitte aus tiefstem Herzen um Verzeihung."
Der als Bandenchef bezeichnete Afghane beteuerte, er habe nie gewollt, dass die Menschen sterben. "Ich bin kein Mörder, kein schlechter Mensch, warum sollte ich den Tod dieser Menschen gewollt haben?" Er habe seinem Zellennachbarn jüngst das Leben gerettet, als dieser Selbstmord begehen wollte. Seine "unüberlegten Worte", wonach der Chauffeur des Todes-Lkw die Flüchtlinge, sollten sie sterben, im Wald in Deutschland abladen solle, bedaure er aufs Tiefste. Er würde die Straftat der Schlepperei anerkennen, jedoch keineswegs die Anklage wegen Mordes. Der Staatsanwalt hatte den Afghanen unter Mordanklage gestellt und eine lebenslange Strafe ohne die Möglichkeit vorzeitiger Haftentlassung gefordert. Der Erstangeklagte betonte, seit zehn Jahren der Heimat fern zu sein und seine Familie wohl nie wieder zu sehen. Das Gericht ersuchte er um eine gerechte Strafe. Falls er frei käme, werde er "nur noch der Menschheit helfen".
Alle Angeklagten weisen Mord-Vorwurf von sich
Der Zweitangeklagte, der als Begleitfahrer des Kühl-Lkw unterwegs war, drückte den Hinterbliebenen ebenfalls sein Beileid aus. Er trage keine Verantwortung für den Erstickungstod der 71 Menschen im Laderaum, bekenne sich jedoch zur Schlepperei. Er habe das Fahrzeug nicht stoppen können, hatte dazu keine Befehlsgewalt. "Ich bin kein Mörder. Wir alle sind Menschen und machen Fehler", erklärte der Bulgare, der das Gericht um ein angemessenes, mildes Urteil ersuchte. Der Staatsanwalt hatte in seinem Zusammenhang eine lebenslängliche Strafe gefordert.
Auch der Drittangeklagte bedauerte die Tragödie. "Gott vergebe mir. Ich bin kein Mörder, kein Terrorist". Er sei bei drei Schlepperfahrten als Begleiter im Einsatz gewesen, hätte hinsichtlich des Kühl-Lkw jedoch nichts von der Luftnot der Insassen gewusst. Die Schreie im Laderaum hätte er für den Streit unter Menschen verschiedener Nationalitäten gehalten. Er würde die geforderte Höchststrafe der lebenslangen Haft ohne Möglichkeit auf vorzeitige Entlassung nicht verdienen und ersuchte das Gericht ebenfalls um ein mildes, gerechtes Urteil.
Der vierte Hauptangeklagte, für den der Staatsanwalt ebenso die Höchststrafe forderte, hatte den Kühl-Lkw gelenkt. Auch er bat die Angehörigen der Opfer um Verzeihung. Er wusste nicht, dass eine solche Tragödie eintreten könnte. Er habe während der Fahrt unter großer Anspannung und Angst gestanden, da er die Befehle des Hauptangeklagten erfüllen musste und nicht anhalten durfte. Er sei zur Tatzeit 24 Jahre alt gewesen, habe zuvor nie einen Lkw gelenkt. Der Bulgare bekannte sich zur Schlepperei, wies jedoch wie seine Komplizen den Vorwurfes des Mordes zurück. "Ich vertraue auf das Gesetz und ein gerechtes Urteil", erklärte der Viertangeklagte.
Der Fünftangeklagte, ein bulgarisch-libanesischer Staatsbürger, der verantwortlich war für die Beschaffung der Schlepper-Fahrzeuge, hat nach eigener Aussage nichts mit der Tragödie zu tun. Er sei Autohändler, ein gesetzestreuer Bürger, kein Mittäter und ersuchte das Gericht um ein gerechtes Urteil. Alle anderen Angeklagten schlossen sich den Worten ihrer Verteidiger an, drückten ihr Beileid aus mit den Hinterbliebenen der Opfer und baten um milde, gerecht Urteile.
Am Donnerstagnachmittag werden die Urteile im A4-Prozess gesprochen, der seit nahezu einem Jahr in der südungarischen Stadt Kecskemet verhandelt wird.
(APA)