Zweifeln kann erlaubt sein, Leugnen ist immer strafbar

VERBOTSGESETZ. Das Gutheißen von NS-Gräuel ist mit Haft bedroht. Die Forderung von Rosenkranz, das Delikt abzuschaffen, aber nicht.

Wien.„Es war nicht alles schlecht unterm Hitler.“ Darf man so etwas sagen? Das hängt von der konkreten Situation ab. Das Verbotsgesetz fasst seine Tatbestände nämlich sehr weit.

Das Gesetz zählt zunächst ganz konkret auf, was alles verboten ist, zum Beispiel die Wiedererrichtung der NSDAP. Doch dann folgt der §3g, der auch jede „andere“ Betätigung im nationalsozialistischen Sinn unter Strafe stellt. Und unter diese Generalklausel kann auch jemand fallen, der eine positive Meinung über die NS-Zeit äußert. Zusätzlich hält der folgende §3h noch ausdrücklich fest, dass das öffentliche Verharmlosen oder Rechtfertigen der NS-Verbrechen auf jeden Fall verboten ist.

Doch wann betätigt man sich im NS-Sinn? Der eingangs erwähnte Satz („Es war nicht alles schlecht unterm Hitler“) allein löse noch keine Strafbarkeit aus, sagt Helmut Fuchs, Vorstand des Instituts für Strafrecht an der Uni Wien. Die Frage ist immer, in welchem Zusammenhang der Spruch fällt. Argumentiere der Sprecher seine Worte mit wirtschaftlichen Maßnahmen zur Zeit des NS-Regimes, müsse die Aussage nicht unbedingt strafbar sein, sagt Fuchs. Beziehe der Sprecher den Satz aber auf die Verbrechen oder die Rassentheorie der Nazis, verstoße er gegen das Verbotsgesetz.

„Tatbestand problematisch“

„Der Tatbestand ist sehr unbestimmt und daher sicher problematisch“, sagt Experte Fuchs. Er spricht sich aber für eine Beibehaltung der bisherigen Norm aus. Aufgrund der ungeheuerlichen Verbrechen des Nazi-Regimes sei auch eine derart unbestimmte Norm gerechtfertigt. Die konkrete Auslegung könne man der Justiz überlassen. Den Strafrahmen (bis zu zehn Jahre Haft) für eine bloße verbale Äußerung findet Fuchs im Vergleich zu anderen Delikten aber zu hoch. Eine Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis wäre angemessener, meint der Experte.

Nicht strafbar ist laut Fuchs die Aufforderung von Barbara Rosenkranz, das Verbotsgesetz teilweise abzuschaffen (Rosenkranz war deswegen angezeigt worden). Der geäußerte Wunsch nach der Änderung des Gesetzes auf demokratischem Weg sei zulässig, sagt Fuchs.

Ein gutes Beispiel für die Grenze zwischen straflosen und strafbaren Äußerungen sind die Wortmeldungen des ehemaligen FPÖ-Abgeordneten John Gudenus. In einem TV-Interview hatte er die Prüfung der Existenz von Gaskammern gefordert. Die Staatsanwaltschaft beurteilte diese Wortmeldung als bloße Zweifel, diese seien nicht strafbar. Doch dann legte der Politiker in einem Zeitungsinterview nach und behauptete: „Es gab Gaskammern, aber nicht im Dritten Reich, sondern in Polen. So steht es auch in den Schulbüchern.“ Nun erblickte die Justiz eine NS-Wiederbetätigung, Gudenus wurde zu einem Jahr bedingter Haft verurteilt.

Drei Jahre Haft fasste der Holocaust-Leugner David Irving aus, zwei musste er absitzen. Irving hatte erklärt: „Es ist an der Zeit, dass wir mit dem Gaskammermärchen aufhören.“ Und: „Es hat kein gezieltes Vernichtungsprogramm der Nazis in Auschwitz gegeben.“ Gerd Honsiks Strafe wurde erst diese Woche vom Oberlandesgericht Wien mit vier Jahren festgesetzt. Der Herausgeber von NS-Schriften war bereits 1992 wegen seines Buchs „Freispruch für Hitler“ zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Es sind aber nicht nur prominente Fälle, die die Justiz beschäftigen. Im Vorjahr wurden 46 Personen wegen Verstoß gegen das Verbotsgesetz angeklagt, 2008 waren es nur 24 Personen gewesen. Die Tendenz ist also klar steigend. Erst am gestrigen Donnerstag fiel eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs. Der Ausschluss der Partei „Die Bunten“ von der Welser Gemeinderatswahl im September 2009 wurde bejaht. Die Partei habe wie die NSDAP die Vertreibung „volksfremder Elemente“ gefordert.

Ein aufsehenerregendes Urteil fällte gestern auch das deutsche Höchstgericht, wenngleich nicht zum Verbotsgesetz, sondern zum Delikt „Volksverhetzung“. Die Karlsruher Richter hielten fest, dass die auf Plakaten geschriebenen Worte „Aktion Ausländer-Rück-Führung“ und „Für ein lebenswertes deutsches Augsburg“ allein noch keine Volksverhetzung seien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2010)

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