Helnwein: "Kinder, die Massenmorde an Kindern begehen, das ist ein neues Phänomen"

"Ich möchte die Menschen zwingen zu sehen" - Helnwein vor dem verhüllten Ringturm
"Ich möchte die Menschen zwingen zu sehen" - Helnwein vor dem verhüllten RingturmAPA/EXPA/SEBASTIAN PUCHER
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Gottfried Helnwein will mit seiner Ringturmverhüllung „die Menschen zwingen, zu sehen“: vor allem die Glorifizierung des Tötens.

Diesen Sommer also kein sorgenloser „Weitblick“ vom Ringturm der Wiener Städtischen wie voriges Jahr das Bergbild von Mihael Milunović hieß. Kein Riesen-Swimmingpool (Tanja Deman, 2015), kein luftiges Agnes-Schleierbild (Arnulf Rainer, 2014). Sondern erstmals Provokation auf Wiens größter Fläche für Kunst im öffentlichen Raum. Gottfried Helnwein lässt ein Mädchen mit einer Maschinenpistole auf das Treiben am Donaukanal zielen. Worauf genau? Das weiß auch Helnwein nicht, wohl auf irgendein Wohnhaus donauaufwärts. Auf der Rückseite geht währenddessen eine Stadt in Flammen auf. Ein Konversationsstück in bester künstlerischer Manier. Daran fährt keiner unberührt vorbei.

Zwei Reaktionen sind bisher vorherrschend: Ist das Bundesheerwerbung, weil direkt neben der Rossauer Kaserne? Zweitens: Wie erkläre ich es meinem Kind?

Gottfried Helnwein: Die Leute stellen sich diese Fragen immer dann, wenn sich Kunst mit dem Thema Gewalt auseinandersetzt. Bei meinen Museumsausstellungen werden in der Regel Warnhinweise aufgestellt, die empfehlen, Jugendliche unter 18 nicht unbeaufsichtigt in die Ausstellung zu lassen. Und das in einer Zeit, in der Kinder durch das Internet und die Massenmedien ständig extremsten Formen von Sadismus und Gewaltpornografie ausgesetzt sind. Aber Gewalt ist ein wesentliches Element des amerikanischen Neo-Kapitalismus, der sich über die ganze Welt ausbreitet: Gewalt als Mittel der Politik eines globalen Herrschaftssystems, aber auch Gewalt im Alltag, in der Unterhaltung und im Spiel. Zum Beispiel in Computerspielen, in denen man ununterbrochen Menschen abknallen kann, was sich übrigens kaum von dem unterscheidet, was junge Mitarbeiter des Pentagon und der CIA machen, wenn sie mit ihrem Joystick Drohnen losschicken, um in irgend einem fernen Land tatsächlich Menschenleben auszulöschen. Tausende und Abertausende, Frauen und Kinder. Wobei laut CIA-eigener Dokumente nur zwei Prozent dieser Bomben die beabsichtigten Zielpersonen treffen.

Die Diskrepanz ist doch, dass diese alltägliche mediale Gewalt auf kleinen Displays stattfindet, also irgendwie intim, und nicht auf Plakaten im öffentlichen Raum.

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