Trotz Kampfansagen plant die Gewerkschaft aktuell keine Streiks. Man werde kämpfen, „wenn es nicht erwartet wird“, so der designierte ÖGB-Boss Wolfgang Katzian.
Wien. Es geht ruhig und beschaulich zu an diesem späten Mittwochvormittag im Wiener Austria Center. Beim Bundeskongress des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) tummeln sich Gewerkschaftsgranden und Betriebsräte, Freiheitliche und SPÖler. Man plauscht bei Sacherwürsteln und Bier. Von der Kampfeslust der vergangenen Wochen – mehrmals war von Streiks die Rede gewesen – ist noch wenig zu spüren.
Dann betritt Wolfgang Katzian die Bühne. Katzian wird am heutigen Donnerstag zum ÖGB-Chef gewählt und löst den Langzeitpräsidenten Erich Foglar ab. Er verspricht den hunderten Delegierten im Saal: „Wir werden kämpfen, wann wir es wollen, wie wir es wollen, wenn es nicht erwartet wird und dort, wo es besonders effektiv ist.“ Soll heißen: Man ist bereit zu streiken. Aber dann, wenn der richtige Moment gekommen sei, und nicht dann, wenn es der Koalition passe. Derzeit, so betonen Gewerkschafter, sei es nämlich vor allem die Regierung, die ständig von Streiks rede.
Apropos: Die Regierung macht sich beim ÖGB-Kongress, der alle fünf Jahre stattfindet, diesmal rar. Nur Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) machten ihre Aufwartung. Bundes- und Vizekanzler bleiben dem Kongress – anders als üblich – fern.
Neue Präsidenten
In seiner Rede fand Katzian harte Worte für die Kritiker der Sozialpartnerschaft – auch wenn er offen ließ, wen er konkret meint: Eine gute Sozialpartnerschaft sei „stärker als jene dunklen Kräfte, die diese bewährte Struktur zerstören wollen.“ Seine Kritik richtete sich auch an den neuen Wirtschaftskammer-Präsidenten Harald Mahrer. Der hatte die Kampagne von ÖGB und Arbeiterkammer gegen die Arbeitszeitflexibilisierung als „Gräuelpropaganda“ bezeichnet. Das möge daran liegen, dass so mancher Neuling noch nicht wisse, wie Sozialpartnerschaft funktioniert, so Katzian. Die würde den einen oder anderen „Wickel“ aushalten. „Es gibt aber klare Grenzen der Zumutbarkeit und die sollten nicht überschritten werden.“ Vor wenigen Tagen hatte die Gewerkschaft Betriebsversammlungen gegen „Sozialabbau“ beschlossen. Man werde die Arbeitnehmer auch weiter informieren, so Katzian.
Mit Katzians Kür endet ein Reigen von Neubesetzungen in den Interessenvertretungen. Im April wurde Renate Anderl zur neuen Arbeiterkammer-Chefin gewählt und löste Rudolf Kaske ab. Im Mai trat Harald Mahrer die Nachfolge von Langzeit-Präsident Christoph Leitl an. Auch die Landwirtschaftskammer hat mit Josef Moosbrugger (davor: Hermann Schultes) einen neuen Chef. In den nächsten Wochen soll es den ersten gemeinsamen Termin der vier neuen Präsidenten geben.
Katzian, bislang Chef der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), ist ein Gewerkschafts-Urgestein. Sein Antritt markiert keinen Generationenwechsel – er ist nur ein Jahr jünger als sein Vorgänger Erich Foglar. An der GPA-Spitze folgt ihm Barbara Teiber (40) nach, sie ist Wiener Gemeinderätin und Vorstandsmitglied in der Gebietskrankenkasse.
ÖGB auf Mitgliederfang
Der neue Chefgewerkschafter hat sich einiges vorgenommen. Nach Jahren des Mitgliederschwunds ist der ÖGB 2016 und 2017 wieder gewachsen – auf über 1,2 Millionen Mitglieder. Es sollen noch um „einige zehntausend“ mehr werden, so Katzian. Als Hauptanliegen des ÖGB gibt er vor: kein genereller Zwölf-Stunden-Tag, eine starke Sozialversicherung, kein Hartz IV, ein gutes Einkommen für Frauen und Männer. Auch der ÖGB müsse sich weiterentwickeln und noch weiblicher und „bunter“ werden. (bin)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2018)