Leitartikel

Kika/Leiner: Eine österreichische Lösung, die sogar gut sein könnte

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Österreichische Lösungen enden meist fatal für Mitarbeiter, Gläubiger und Steuerzahler. Vielleicht werden wir Zeugen einer erfreulichen Ausnahme.

"Ist Ihnen oft langweilig?" So lautete vor zehn Jahren die erste Frage dieser Zeitung an den smarten Tiroler Interviewpartner. Der hieß René Benko, war 31 Jahre alt und gab unumwunden zu: „Ich bin absoluter Nutznießer der Krise.“ Damals, zu Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise, warb Benko mit dem Slogan: „Noch nie war es so langweilig, reich zu werden.“

Ein junger Frechdachs also, der von den Altvorderen argwöhnisch betrachtet wurde. „Woher hat er sein Geld? Wer steckt dahinter?“, hieß es. Tatsächlich baute der Innsbrucker Schulabbrecher sein Immobilienreich mithilfe von Geldgebern zweifelhaften Rufs auf. Der griechisches Reeder George Economou gehörte genauso dazu wie der israelische Diamantenschürfer Beny Steinmetz. Längst hat sich Benko von seinen schillernden Partnern getrennt, meidet die Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser und hat ein Immobilien- und Handelsimperium aus dem Boden gestampft, das seinesgleichen sucht. Nur eines hat sich nicht geändert: Benko ist nach wie vor ein „absoluter Nutznießer“ diverser Krisen. Am Donnerstag legte seine Signa-Gruppe ein Angebot für den strauchelnden Möbelhändler Kika/Leiner. Das heißt: Die Immobilien musste Benko kaufen, den zweitgrößten Möbelhändler des Landes bekam er geschenkt.

Von der „österreichischen Lösung“ war die Rede – auch kurz auf „Presse“-Online. Tatsächlich war der Verkauf von Kika/Leiner an die Steinhoff-Gruppe eine wirtschaftliche Katastrophe. Der vermeintliche Retter aus Südafrika entpuppte sich als Sargnagel. Aber deshalb sind „internationale Lösungen“ nicht per se schlecht, genauso wie „österreichische“ nicht automatisch gut sind.

Tatsächlich sollte man beim Hohelied auf die „österreichische Lösung“ die Kirche lieber im Dorf lassen. Denn atemberaubend erfolgreich waren die rot-weiß-roten Alleingänge in der Vergangenheit nicht wirklich. Sie waren am Ende oft schlecht für Gläubiger und Mitarbeiter und erst recht für die Steuerzahler. Man denke an die berühmten drei Worte: Hypo Alpe Adria.
Oder zuletzt an Niki Laudas „österreichische Lösung“ beim Kauf der insolventen Air-Berlin-Tochter Niki. Die gehörte wenige Tage später bekanntlich der irischen Billigairline Ryanair. Zumindest für einen Österreicher war die Lösung gut, der Rest wird sich weisen.

Zurück zum Niedergang von Kika/Leiner. Auch wenn am späten Donnerstagabend eine Insolvenz vorerst abgewendet werden konnte, es wird dennoch viele Menschen hart treffen. Nicht nur viele der 5000 Mitarbeiter, die ihren Job verlieren könnten, auch die Beschäftigten in den Zulieferbetrieben wissen heute nicht, ob sie morgen noch eine Arbeit haben werden. Gläubiger haben Forderungen offen. Für die Kunden, die Anzahlungen geleistet haben und auf die Lieferung ihrer Küche warten, ist der Deal eine gute Nachricht.

Auch für die Branche ist die Übernahme gut. Schon jetzt ist der Möbelhandel in Österreich de facto in drei Händen. Lutz, Kika/Leiner und Ikea beherrschen mehr als zwei Drittel des Markts. Wäre Kika/Leiner verschwunden, bliebe von dem ohnehin nur noch minimalen Wettbewerb so gut wie nichts mehr übrig.

Sollte sich Benko tatsächlich nicht nur die Immobilienfilets sichern, sondern wie angekündigt auch am Handelsgeschäft interessiert sein, wäre das zumindest eine Perspektive. Längst hat er bewiesen, dass er Handel kann, dass er sich die richtigen Experten ins Team geholt hat. Die deutsche Karstadt-Kaufhauskette hat Signa einst als hoffnungslosen Fall übernommen, mittlerweile schreibt man schwarze Zahlen. Allerdings hat Benko das Unternehmen radikal saniert. Binnen weniger Monate wurden 20 Prozent der Belegschaft in den Filialen und gar 40 Prozent der Leute in der Zentrale gekündigt. 2000 Menschen verloren ihren Job, aber 14.000 haben ihn noch immer. Kika/Leiner ist ein ähnlich gutes Ende zu wünschen. Vielleicht gelingt es mithilfe des Österreichers René Benko? „Österreichische Lösungen“ um jeden Preis wünscht sich heute hoffentlich keiner mehr.

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E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2018)

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