Junge Forschung

Eine Spielarena für Mäuse

Baut die Laborinstrumente, mit denen er und seine Kollegen arbeiten, gern selbst: der Neurowissenschaftler Maximilian Jösch.
Baut die Laborinstrumente, mit denen er und seine Kollegen arbeiten, gern selbst: der Neurowissenschaftler Maximilian Jösch. (c) Florens Kosicek
  • Drucken

Der Neurowissenschaftler Maximilian Jösch untersucht am Campus in Klosterneuburg an Mäusen die Schaltzentralen des Gehirns, die das Verhalten steuern.

Man muss die Maus dazu bringen, etwas zu lernen. Ich bin wie ein Dompteur, wenn sie etwas richtig macht, bekommt sie eine Schokomilch“, erklärt der Neurowissenschaftler Maximilian Jösch, der untersucht, wie Netzwerke im Gehirn interagieren und Informationen verarbeiten. Man könne das Gehirn als verhaltenssteuernde Maschine betrachten, erklärt der 1980 in Chile geborene Forscher. Seine Versuchsobjekte sind im Moment Mäuse, die Mitarbeiter direkt am Institut züchten. Die Forscher stimulieren die Tiere visuell. „Sie erleiden keinen Schmerz und wohnen weiter in ihrem kleinen Gehäuse. Es ist wichtig, dass es den Tieren gut geht, sie sind in einer Spielarena, währenddessen untersuchen wir ihr Verhalten“, sagt der Wissenschaftler.

Wenn die Mäuse einen Stimulus erfahren, dann bleiben sie stehen oder sie flüchten und laufen zum Nest zurück. Das Hirnareal, das das entsprechende Verhalten aktiviert – das Colliculi superiores –, kann beispielsweise die Ohren- oder die Augenbewegungen steuern. Aber den Forscher interessiert dabei nicht ein bestimmtes Verhalten, sondern das Verhalten wird benützt, um zu verstehen, wie die Information umgewandelt wird.

Ein Zwischending der Disziplinen

Jösch ist in Chile aufgewachsen, mit 19 Jahren kam er nach Deutschland, um dort weiterzustudieren. In Santiago hatte er mit Astronomie und Physik begonnen, aber „ich war jung und wollte die Welt erkunden, ein weiterer Grund war, dass in Europa die Wissenschaft mehr gefördert wird als in Chile“, so der Wissenschaftler. Er bewarb sich in Deutschland für nur einen Studiengang – Biochemie an der Universität Tübingen – und wurde aufgenommen. Er promovierte schließlich in Neurobiologie am Max-Planck-Institut in München und ging dann mit seiner Familie für sechs Jahre in die USA an die Harvard-Universität. Seit über einem Jahr arbeitet er nun in Österreich am IST Austria in Klosterneuburg. Was er macht, „ist ein Zwischending: Molekularbiologie, Physik, Ingenieurwesen, eine Mischung. Es ist sehr interdisziplinär.“

Die Aktivität des Gehirns während des Verhaltens eines Tieres wird mittels Licht gemessen. Die Methode ist nicht invasiv. Teile des Gehirns produzieren ein Protein. Wenn die Neuronen aktiv sind, produzieren sie Aktionspotenziale – elektrische Signale. Bei der Entstehung dieser Signale fließt eine Menge Ionen in diese Zellen, viele von diesen sind Kalziumionen. Kommen diese Signale herein, ändern sie die Fluoreszenz, sie leuchten anders. Somit können Tausende Unterschiede gemessen werden. Gemessen wird das Licht von den Zellen: Das Licht bedeutet, dass die Nervenzellen aktiv waren.

Diese Grundlagenforschung hat Auswirkungenfür den Menschen. „Wir verstehen noch wenig von den Schaltkreisen. So viele dieser Schaltkreise sind wichtig für die Aufmerksamkeit, und es kann gut sein, dass Entwicklungsstörungen dazu führen, dass Krankheiten durch Änderung dieses Schaltkreises entstehen können.“

Der Autismus beispielsweise hat unterschiedliche Ausprägungen. Spreche man mit einem autistischen Kind, wird es keinen Augenkontakt herstellen. Es blende aus, was gesagt wird, aber gerade das ist für die Entwicklung wichtig, denn der Mensch lernt über Kontakte und Interaktionen. Entweder ist die Möglichkeit, es zu erlernen, nicht da, oder die Fähigkeit fehlt. Der junge Forscher hofft, dass die Wissenschaft in zehn, 20 Jahren so weit ist, solche Krankheitsbilder zu verstehen und Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln. „Aber für Sachen, die man noch nicht kennt, kann man keine konkreten Lösungen suchen“, erklärt er.

Ein Arbeitstag von Maximilian Jösch kann ganz unterschiedlich aussehen, im Moment betreut er Studenten, trainiert die Labormäuse und sitzt häufig vor seinem Computer, um die gewonnenen Daten auszuwerten. Seine rare Freizeit gehört der Familie und dem Klettern. Taekwondo unterrichten und das Holzschnitzen hat er aufgegeben, trotzdem fährt er noch oft zum Baumarkt: Er konstruiert nämlich die Mikroskope und andere Instrumente, die er für seine Untersuchungen braucht, am liebsten selbst.

ZUR PERSON

Maximilian Jösch (38) wurde in Viña del Mar, Chile, geboren. Er inskribierte Astronomie und Physik in Santiago, studierte Biochemie in Tübingen und promovierte in Neurobiologie in München am Max-Planck-Institut. Seit Jänner 2017 ist er Assistent Professor am Institute of Science and Technology (IST) Austria und forscht, ausgezeichnet mit einem Starting Grant der Europäischen Kommission, an Mechanismen des Nervensystems.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.