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Nur eine abstrakte Linie? Die Grenzen sind wieder da

Das Phänomen der Grenze unterliegt einem permanenten Wandel.
Das Phänomen der Grenze unterliegt einem permanenten Wandel.(c) FABRY Clemens
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Grenzen und Grenzziehungen gelten als menschliches Wesensmerkmal – und gleichzeitig gehören Grenzüberschreitungen zu unseren alltäglichen Routinen. Über eine von uns zutiefst verinnerlichte Handlungspraxis.

Grenzen, Grenzziehungen und Grenzüberschreitungen sind eine vom Menschen zutiefst verinnerlichte Abstraktions- und Handlungspraxis. Eine Grenze ist eine gedachte oder abstrakte Linie, anhand der Unterscheidungen getroffen und Dinge durch Unterschiede identifiziert werden. Das moderne Staatensystem mit seinen Grenzen geht auf den Westfälischen Frieden zurück – Grenze bedeutet letztlich im Idealfall Konsens und Friede; so ist es etwa bezeichnend, dass die Kämpfer des Gewalt-Pseudostaates IS an die Häuserwände in den von ihnen eroberten Gebieten die Parole schrieben: „Wir kennen keine Grenzen, nur Fronten.“

Der Begriff der Grenze als abstraktes Konzept ist im Spätmittelalter über das Altpolnische ins Deutsche gekommen und löste Begriffe wie Mark oder Gescheide ab, die immer an konkrete naturräumlich-physische Sachverhalte gebunden waren. Der abstrakte, moderne Begriff der Grenze hatte ursprünglich einen räumlichen Bezug und wurde erst später auf andere – etwa zeitliche oder metaphorische – Grenzziehungen angewendet. Wenn auch Grenzen und Grenzziehungen ein anscheinend menschliches Wesensmerkmal darstellen, so steht dem die weitverbreitete Erfahrung gegenüber, dass Grenzüberschreitungen zu einer festen Routine der alltäglichen Handlungspraxis zählen. Dies zeigt sich auf unterschiedlichen räumlichen Maßstabsebenen: Seien es Verwaltungsgrenzen, über die Städte schon längst hinausgewachsen sind, oder Umlandsiedlungen, die zusammengewachsen sind; oder Staatsgrenzen, die vom „kleinen Grenzverkehr“ bis hin zur Mobilität im vereinten Europa hinsichtlich ihrer Bedeutung und Sinnhaftigkeit infrage gestellt werden. Die Überwindung und Aufhebung der nationalstaatlichen Grenzen für Unternehmen wie auch für Haushalte stellt eine zentrale Errungenschaft im europäischen Einigungsprozess dar.