Du machst das schon

(c) Clemens Fabry
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Stellt man sich den Gipfel der Unverbindlichkeit bildlich vor, kann man kaum an eine elegante Spitze denken sondern hat ein gigantisches Hochplateau vor sich.

Auf dem tummeln sich all jene Redewendungen und Phrasen, hinter deren hübscher Fassade sich die Fratze des Desinteresses verbirgt. Dort oben begegnet man unter anderem dem „Wie geht's“, das im nächsten Moment schon zum nächsten Satz ansetzt, ehe die mehr oder weniger ehrliche Pflichtantwort „Danke, gut“ abgespult wurde.

Gleich daneben sitzt das „Hat es geschmeckt?“ des Kellners, der sogleich mit dem leeren Teller schon wieder das Weite sucht. Das „Wird schon wieder werden“ beobachtet indes lächelnd die Verabschiedung des „Wir sollten echt wieder mal was miteinander unternehmen“ vom „Ich melde mich bei dir“, während das „Das ist aber ein süßes Baby“ sich auf die Suche nach Kinderwagen macht. Und über all den Gipfelsiegern thront der König der Unverbindlichkeit, an den in seiner Perfidie kaum ein anderer herankommt. Er erinnert ein wenig an die Grinsekatze aus „Alice im Wunderland“, den Giganten der geheuchelten Empathie. Es ist der „Du machst das schon!“. Seine Zähne blitzen strahlend weiß, sein Arm ist gestählt vom gefälligen Schulterklopfen, hinter dem sich die ungeschönte Wahrheit verbirgt: „Egal, wie du dich entscheidest. Du bist allein! Und ich habe definitiv nicht vor, dir zu helfen.“

Und wir stehen fassungslos da, beobachten das geschäftige Treiben auf dem Hochplateau der Unverbindlichkeiten, als eine der Phrasen plötzlich neben uns steht, eine weit ausholende Geste mit ihrem Arm vollführt und fragt: „Ist das nicht schön?“ „Ja, stimmt“, sagen wir dann, „das ist nicht schön!“ Aber keine Angst, wir machen das schon.


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2010)

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