BND-Überwachung: "Die Vorwürfe sind ernst"

Gemeinsam informierten Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz in der Hofburg die Medien über die BND-Affäre.
Gemeinsam informierten Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz in der Hofburg die Medien über die BND-Affäre.(c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Österreichs Regierung beriet in einer Krisensitzung über Berichte, der deutsche Bundesnachrichtendienst hätte jahrelang österreichische Telekommunikation überwacht. Bundespräsident und Kanzler fordern Deutschland zur Klarstellung auf.

Österreichs Bundesregierung reagiert auf Berichte über eine systematische Überwachung durch den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) in den Jahren 1999 und 2006: Am Samstagnachmittag fand zu dieser Thematik eine Krisensitzung in Wien statt. Im Anschluss daran traten Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor die Presse, um über den derzeitigen Stand der Dinge zu informieren.

Wesentlich neue Informationen gab es dabei allerdings nicht. Beide Politiker betonten, dass man wenig erfreut über die Vorwürfe sei. Ein "Ausspähen befreundeter Staaten ist nicht akzeptabel und würde auf Dauer das gegenseitige Vertrauen zwischen unseren beiden Staaten in Frage stellen", erklärte Van der Bellen. "Die Vorwürfe sind ernst", man wolle die Vorwürfe aber klären, bevor man diplomatische Maßnahmen ergreife, so der Bundespräsident. Auch Sebastian Kurz bemühte sich, nicht von einer Verstimmung zwischen Österreich und Deutschland zu sprechen.

Kurz sprach von einem "enormen" Ausmaß der Überwachung. "Unter befreundeten Staaten darf es so etwas nicht geben", betonte der Kanzler. Daher habe man schon mit den deutschen Behörden Kontakt aufgenommen. Derzeit gebe es zwar "keine Indizien dafür, dass die Überwachung (nach dem Jahr 2006) fortgesetzt wurde". Durch eine Gesetzesänderung im Jahr 2016 seien solche Aktionen zudem "nicht mehr legal möglich Deutschland".

Man habe jedenfalls von den deutschen Behörden Klarstellung gefordert, erläuterte der Bundespräsident. Man wolle wissen, wer wie lange ausgespäht worden sei und welche Daten dabei gesammelt worden seien. Diese sollten gelöscht werden. Außerdem sollten noch laufende Abhöraktionen, "was wir nicht annehmen", sofort eingestellt werden. Kanzler Kurz erklärte, es gehe nach dem Wissen der Bundesregierung um Aktivitäten aus den Jahren 1999 bis 2006. Dass zuletzt noch Daten ausspioniert worden seien, davon gingen beide nicht aus - beide konnten das aber auch nicht gänzlich ausschließen.

Das Nachrichtenmagazin "Profil" und die Tageszeitung "Der Standard" hatten berichtet, dass laut einer vorliegenden BND-internen Datei in diesem Zeitraum insgesamt 2000 Telefon-, Fax- und Mobilanschlüsse sowie E-Mail-Adressen in Visier genommen wurden. Bereits 2015 war bekannt geworden, dass der BND "befreundete Länder" aus aller Welt gezielt ausspioniert haben soll.

Bundestag untersucht Vorwürfe

Die Vorwürfe beschäftigen bereits das Parlamentarische Kontrollgremium der Geheimdienste (PKG) des Deutschen Bundestags. Das bestätigte der PKG-Vorsitzende Armin Schuster (CDU) den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Sonntag. "Wir prüfen, ob die Vorwürfe neu sind oder ob sie Teil der schon 2015 bekannt gewordenen Vorwürfe sind", sagte Schuster. Er kündigte erste Erkenntnisse bis Ende der kommenden Woche an. Eventuell werde das Gremium in der übernächsten Woche zu einer Sondersitzung zusammenkommen.

Der CDU-Politiker bekräftigte, dass es "oft weder verhältnismäßig, noch in der Sache erklärbar" gewesen sei, dass der BND in der Vergangenheit andere europäische Staaten bespitzelt habe. Als Konsequenz daraus habe der Deutsche Bundestag in der vergangenen Wahlperiode auch das BND-Gesetz geändert. Es setze "dem Dienst ganz andere Voraussetzungen als noch vor 2015", sagte Schuster.

Sein Stellvertreter, der Grünen-Politiker Konstantin von Notz, sagte den Funke-Zeitungen, für den BND sei es "ein Problem", dass nun die elektronischen Suchmerkmale bekannt geworden sind, mit denen der Geheimdienst österreichische Quellen ausspioniert habe. Die deutsche Regierung habe diese so genannten Selektoren dem Untersuchungsausschuss damals "nicht in einem ordentlichen Verfahren zur Einsicht zukommen lassen", kritisierte von Notz.

Opposition fordert rasche Aufklärung

SPÖ-Chef Christian Kern forderte eine rasche Aufklärung in der Causa. Der Ex-Bundeskanzler weiß nach eigenen Angaben nichts Näheres über die Aktivitäten des BNDs in Österreich. Der frühere Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) will unter anderem wissen, welche Ziele genau der deutsche Geheimdienst verfolgt hatte. "Ich hätte mir das nicht erwartet, dass wir heute von einem Nachbarstaat in dieser Art und Weise - wenn das stimmt - institutionell und systematisch ausspioniert werden", zeigte sich Doskozil im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kern zum 12-Stunden-Tag erstaunt.

"Konkrete Schritte" fordern auch die NEOS. Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper übt scharfe Kritik: "Diese Art der Massenüberwachung durch ausländische Geheimdienste ist unhaltbar. Zu lange schon war Österreich hier zu lax. Es ist fraglich, ob die österreichischen Behörden in der Lage sind, ihre Bürger und Unternehmen überhaupt effektiv zu schützen." Sie verlangt nun "Klarheit" darüber, in welchem Ausmaß Österreich betroffen und ob es tatsächlich zu Wirtschaftsspionage gekommen sei.

Pilz: "BND, NSA und CIA können tun und lassen, was sie wollen"

Die Liste Pilz wirft unterdessen dem Verfassungsschutz "totales Versagen" in der Spionageabwehr vor und fordert die Aufnahme der Causa in den parlamentarischen BVT-Untersuchungsausschuss. Am 19. Mai und 15. Juli 2015 habe Listengründer und Nationalratsabgeordneter Peter Pilz der "Staatsanwaltschaft Wien zwei umfangreiche Sachverhaltsdarstellungen in der BND/NSA-Affäre 'EIKONAL', parallel dazu informierte er das BVT", heißt es in einer Aussendung am Samstag. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) habe jedoch seitdem nichts unternommen. Pilz stellte dazu fest: "Unter den Augen von ÖVP-Innenministern und Verfassungsschützern können BND, NSA und CIA bis heute in Österreich tun und lassen, was sie wollen!"

>>> Der Artikel im "Standard"

(APA/Red.)

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