Ehepaar ermordet: IS-Sympathisant in Linz vor Gericht

Der Angeklagte hält am Montag im Linzer Gericht einen beschrifteten Zettel in die Kameras:  "Es wird gelogen und gelogen, weil die Justiz in unserem Land abhängig ist"
Der Angeklagte hält am Montag im Linzer Gericht einen beschrifteten Zettel in die Kameras: "Es wird gelogen und gelogen, weil die Justiz in unserem Land abhängig ist" FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUM
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Ein 55-jähriger soll im Vorjahr in Linz ein betagtes Ehepaar getötete haben. Nun steht er vor Gericht. Der "Islamische Staat" sei "der richtige Weg, die richtige Politik", sagt der Tunesier.

Ein 55-jähriger Tunesier hat sich am Montag im Landesgericht Linz verantworten müssen, weil er im Juni 2017 ein betagtes Ehepaar getötet und anschließend dessen Haus angezündet haben soll. Auch Postings mit islamistischem Inhalt werden ihm zur Last gelegt. Ihm wurde eine querulatorische Persönlichkeitsstörung attestiert, er sei aber zurechnungsfähig und war zu Prozessbeginn weitgehend geständig.

Der hell gekleidete Angeklagte erschien mit vier Justizwachebeamten in Sturmhaube und kugelsicherer Weste. Der ganze - für drei Tage anberaumte - Prozess fand unter erhöhten Sicherheitsbestimmungen statt. Handys und Laptops mussten abgeben werden. Der Angeklagte - er weist keine Vorstrafen auf - hatte einen zerrissenen Sack mit WC-Papierrollen dabei, eine zerschlissene Schachtel mit handgeschriebenen Zetteln und einen Karton mit der Aufschrift "Es wird gelogen und gelogen aller wissen das (sic!) sie lügen und weil die Justiz in unserem Land unabhängig ist" - das 'un' durchgestrichen.

Angeklagter geständig

Der Tunesier, der seit langem in Österreich lebt, ist nach islamischem Recht mit seiner Lebensgefährtin verheiratet und half in deren Bio-Geschäft aus. Er gab die beiden angeklagten Morde unumwunden zu, auch Benzin ausgegossen und angezündet zu haben sowie die islamistischen Postings gestand er. Auf die Vorhaltungen des Gerichts bezüglich der Tötungsdelikte sagte er nur ohne erkennbare Emotion "stimmt". Bei der Polizei hatte er als Motiv angegeben, er habe ein Exempel an der Gesellschaft und der FPÖ, durch die er sich als Ausländer und Muslim diskriminiert fühlte, statuieren wollen. Bei den Opfern, die er regelmäßig mit Lebensmitteln aus dem Geschäft seiner Lebensgefährtin belieferte, dürfte er ein - nicht existentes - Naheverhältnis zu den Blauen vermutet haben. Die Staatsanwaltschaft legt ihm Mord, versuchte Brandstiftung, Mitgliedschaft in einer terroristischen bzw. kriminellen Vereinigung und - wegen eines Vorfalls in der Justizanstalt - gefährliche Drohung zur Last.

Er habe sich zeitlebens ungerecht behandelt gefühlt, das belege auch ein Nachbarschaftsstreit an seinem früheren Wohnort, führte die Staatsanwältin aus. Die Nachbarn zeigten ihn 2010 wegen Tierquälerei an, weil in seinem Haus eine Katze in einem Fenster eingeklemmt war. Der 55-Jährige bekam eine Strafe, vermutete dahinter aber Intrigen der Nachbarn und der Polizei gegen ihn, schrieb deswegen sogar der Innenministerin, 2014 trat er in der Sache schließlich eine Ersatzfreiheitsstrafe an. Als im Mai 2017 per Exekution 107 Euro Verfahrenskosten aus der Katzen-Geschichte von ihm gefordert wurden, soll dies der Auslöser für die nun angeklagten Taten gewesen sein. Am Vortag habe er seinen Rucksack mit Spanngurten und Messer gepackt, am selben Tag noch den Benzinkanister angefüllt und schließlich die Taten verübt.

Der Angeklagte, bewacht von vermummten Beamten
Der Angeklagte, bewacht von vermummten BeamtenFOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUM

Vorfall im Gefängnis

Auch in der Haft sei es zu einem Vorfall gekommen: Der Tunesier trat von 11. bis 26. August in Hungerstreik, weil er von der Republik Österreich nichts mehr annehmen wollte. Als er den Streik beendete, bekam er rituellen Rinder-Leberkäse vorgesetzt, war aber überzeugt, dass es Schweinefleisch sei. Daher soll er einen Justizwachebeamten beschimpft und bedroht haben: "Du und deine Familie werdet noch jede Nacht an mich denken. Du weißt warum ich hier bin", soll er gesagt haben.

Der Pflichtverteidiger des Beschuldigten sagte zu Prozessbeginn, er habe zweimal mit dem 55-Jährigen geredet, dann habe dieser Gespräche und Hilfe abgelehnt und ihm verboten, Anträge zu stellen. Der Angeklagte werde sich - soweit gesetzlich zulässig - selbst verteidigen. Er spricht gut deutsch, aber sehr hastig, macht oft Einwürfe, schweift ab.

IS? "Der richtige Weg"

Eingangs entschuldigte sich der Angeklagte kurz bei den Verwandten der Opfer. Dann verbiss er sich aber übergangslos in Details aus der Anklageschrift und ortete Intrigen. "Allahu Akbar", sagte er dreimal laut und einen arabischen Satz, die gesamte Äußerung wurde mit "Gott ist groß und bleibt lange" übersetzt. Angesprochen auf den IS meinte er, das sei "der richtige Weg, die richtige Politik", "die tun niemand Unschuldigem etwas". Anführer Abu Bakr al-Baghdadi, dem er die Treue geschworen haben soll, sei "der richtige Politiker".

Angeklagter "extrem gefährlich"

Nach der Einvernahme des Angeklagten war Montagnachmittag die psychiatrische Sachverständige Adelheid Kastner am Wort. Für sie sei es "nicht denkbar", dass der 55-Jährige Mitglied des IS sei, aber er sei "extrem gefährlich". Sie beschrieb ihn als "Monolith an Egozentrik". Aufgrund seiner querulatorischen Persönlichkeitsstruktur sieht sie die angeklagte Tat als "ein Ventil".

So habe der Mann in seinem Leben viele Kränkungen hinnehmen müssen. Trotz Ausbildung fand er keinen Job, sein Vater vererbte den Besitz an die Halbgeschwister und sein Versuch mit einem Lkw beladen mit Tischlerwerkzeug nach Syrien zu fahren, um zu helfen, scheiterte. Der Laster sei nach Libyen verschifft worden und verschwand, nannte die Sachverständige Beispiele seines Scheiterns. Aus diesen negativen Erfahrungen zog der Tunesier einen Schluss: "Alles Negative ist immer gegen ihn gerichtet."

Dennoch könne er die Perspektive wechseln und leide nicht an einer Geisteskrankheit, weshalb Kastner ihm Zurechnungsfähigkeit attestierte. Allerdings sei er "extrem gefährlich" und es sei zu erwarten, dass er "wieder schwere Straftaten bis hin zu Tötungsdelikten begeht", stellte sie unmissverständlich klar.

Ausführlich erläuterte die Psychiaterin auch, warum sie eine IS-Zugehörigkeit für unwahrscheinlich hält. Der Angeklagte sei nicht "teamfähig" sondern ein "Monolith an Egozentrik", denn er könne sich an keine Vorgaben halten oder Anordnungen entgegennehmen. "Er wäre für jeden Verein, egal ob eine Terror-Organisation oder ein Fußballverein, eine Kalamität", so ihre abschließende Beurteilung.

Der Angeklagte entgegnete auf Kastners Ausführungen: "Da biegen sich die Balken vor lauter Lügen. Und bei der Madame (Kastner) brechen sie schon."

Urteil noch am Montag?

Nachdem am Nachmittag noch ein Video zum Lokalaugenschein gezeigt wurde, begann der Richter bereits mit der Verlesung des Aktes. Anschließend folgen die Schlussplädoyers. Somit dürfte der Prozess deutlich früher als angenommen zu Ende gehen. Ein Urteil scheint noch für Montagabend möglich. Ursprünglich war die Verhandlung für drei Tage angesetzt.

(APA/Red.)

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